Goebel, Joey
die Mittel aus.«
»Die Leute mögen dich immer noch. Ich hab viele von ihnen vor den Kopf gestoßen mit dem, was ich bei dem Interview und bei anderen Gelegenheiten gesagt habe. Aber dich werden sie unterstützen.«
»Darüber will ich im Moment wirklich nicht nachdenken. Ich mache mir nur Sorgen um meinen Neffen.«
»’tschuldige. Ich weiß. Ich weiß, dass du wieder da reinmusst. Lass dich wenigstens umarmen.«
Zuerst sträubte er sich und dachte daran, die Umarmung gar nicht zu erwidern, doch als er ihre Haare an seinem Gesicht spürte, verpasste er ihr eine Bärenumarmung, die sich auch in einem Wrestlingring hätte sehen lassen können, quetschte sie, so fest er konnte, bis sie kurz aufjaulte. Als er sie losließ, lächelte sie, wie immer mit zugehaltenem Mund. Er versuchte, sich mit gleicher Münze zu revanchieren, konnte [693] aber kein Lächeln durch seine Traurigkeit schieben. Er war ganz tief unten, hatte aber keinen Wagen mit Allradantrieb.
»Ich sage immer noch, dass du die freundlichsten Augen hast.« Mit einem »Pah!« drehte er sich weg.
»Es stimmt!«, schrie sie.
»Ich wünschte, du würdest nicht so einen Quark sagen. Keiner sagt je so einen Quark zu mir.«
»Was wissen die schon?«
Er konnte sie nicht mehr ansehen. Er drehte sich in Richtung Automatiktür. »Mach’s gut, Jackie.«
»So gut, wie’s dir noch keine gemacht hat.«
»Das ist mein Spruch«, sagte er und fuhr herum.
»Ich werd ihn trotzdem verwenden, wenn du nichts dagegen hast.«
»Wenn’s deine Keimdrüsen anregt.«
»Den werd ich auch verwenden. Das mit deinem Neffen tut mir leid. Ich ruf dich morgen an, um zu erfahren, wie’s deiner Familie geht.«
»In Ordnung.«
»Bye«, sagte sie und ging.
»Bye, Partner.« Er ging ins Krankenhaus.
Warum hatte sie ihm mit diesem Spruch über seine Augen kommen müssen, wo doch jeder sah, dass seine Augen nur müde waren und sonst nichts. Er überlegte, wie er sich für das Kompliment revanchieren könnte. Zum Beispiel könnte er wieder nach draußen gehen und quer über den ganzen Parkplatz rufen: »Ich finde, du hast schöne Zähne!« Dann würde sie lächeln und im Zickzack zwischen den geparkten Autos auf ihn zulaufen. Und er würde auf sie zulaufen. Und dann würden sie sich nur noch küssen.
[694] Doch selbst in seiner Phantasie sah er beim Laufen wegen des Hinkens komisch aus. Er war schon im Fahrstuhl und überlegte, ob er seine alte Arbeit bei Wal-Mart wiederaufnehmen oder etwas Neues probieren sollte. Irgendwo hatte er gehört, dass man nur zwei Jahre studieren musste, um Vertretungslehrer zu werden.
John bestand darauf, dass seine Frau nach Hause fuhr und schlief; er werde bei Arthur bleiben. Er fühlte sich jetzt besser, weniger wacklig. Er sagte zu Abby, er werde nicht wieder schlappmachen. Durch die Ruhepause früher am Tag habe er neue Kraft geschöpft. Als er nach einer Weile sah, dass niemand in Arthurs Zimmer kam, lockerte er die Bettdecken und legte die Beine seines Sohnes so hin, dass es natürlicher wirkte.
Er wünschte, er könnte Arthur seine Spielklamotten anziehen. Seine Oma Elizabeth legte Wert darauf, dass auch seine Spielkleidung hübsch war: Hemden von Ralph Lauren und eine Armani-Latzhose. John musste lachen, als er daran dachte, wie rasch Arthur seine Anziehsachen immer mit Ketchup und Grasflecken beschmutzte.
John starrte zwanghaft auf das einzige blonde Haarbüschel, das oben aus Arthurs Verbänden herausragte. Er benutzte dieses Haarbüschel als Fixierpunkt, während er so intensiv betete, wie er sein ganzes Leben noch nicht gebetet hatte, in der Hoffnung, Gott doch noch ein Zugeständnis abzutrotzen.
»Lieber Gott im Himmel, bitte hör mir zu«, flüsterte er eindringlich. »Falls du dir noch nie ein Wort von dem angehört hast, was ich je gesagt habe, fang bitte jetzt damit an. Hör [695] mich bitte an, denn nie waren mir irgendwelche Worte wichtiger als die, die ich jetzt sagen werde. Wenn du meinen Sohn John Arthur Mapother am Leben lässt, und wenn du ihn gesund werden, aufwachsen und gesund bleiben lässt, gelobe ich, dass ich nie wieder etwas tun werde, um einem anderen Menschen zu schaden. Ich werde nicht mehr an mich denken, sondern mein gesamtes verbleibendes Leben dem Ziel widmen, anderen zu helfen. Wenn du meinen Arthur leben lässt, werde ich alle irdischen Reichtümer, die ich angehäuft habe, darauf verwenden, anderen zu helfen. Für mich selbst werde ich nur noch das nehmen, was ich brauche; den Rest werde ich weggeben,
Weitere Kostenlose Bücher