Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Dezimalbruchs der Summe der zweiten ist. Sein Wert ist π/4.
S IMPLICIO : Sie stecken voll von solchen mathematischen Tricks, aber ich sehe nicht ein, was das mit Abstraktion und Wirklichkeit zu tun hat.
S ALVIATI : Die Beziehung zur Abstraktion ist leicht einzusehen. Die erste Folge sieht aus, als sei sie zufallsbestimmt, wenn man nicht durch einen Abstraktionsprozeß eine Art Filter entwickelt hat, der hinter der scheinbaren Zufälligkeit eine einfache Struktur erkennen läßt.
Genau auf diese Weise werden die Naturgesetze entdeckt. Die Natur beschert uns eine Unzahl von Erscheinungen, die uns aber zufallsbestimmt und chaotisch vorkommen, bis wir einige bezeichnende Ereignisse herausgreifen, von ihren besonderen irrelevanten Umständen absehen und sie so idealisieren. Erst dann können wir die wahre Struktur in ihrem vollen Glanz darstellen.
S AGREDO : Das ist eine wunderbare Idee. Sie legt die Überlegung nahe, daß wir beim Versuch, die Natur zu verstehen, die Phänomene betrachten sollen, als seien sie Botschaften, die es zu entziffern gilt. Nur daß jede Botschaft rein zufällig zu sein scheint, bis wir einen Code erstellen, nach dem sie entziffert werden kann. Dieser Code nimmt die Form einer Abstraktion an, das heißt, wir entschließen uns, gewisse Dinge als irrelevant außer acht zu lassen, und das heißt, daß wir den Inhalt der Botschaft frei wählen. Die irrelevanten Signale bilden das „Hintergrundsrauschen“, das die Genauigkeit unserer Botschaft einschränkt. Da der Code aber nicht absolut ist, können in demselben Rohmaterial von Daten verschiedene Botschaften verborgen sein, so daß die Veränderung des Codes eine Botschaft von gleich tiefer Bedeutung aus etwas herausholt, das vorher nur ein Rauschen war, und umgekehrt: in einem neuen Code kann eine frühere Botschaft sinnleer sein.
Ein Code setzt also eine freie Wahl unter verschiedenen, sich ergänzenden Aspekten voraus, von denen jeder den gleichen Anspruch auf Wirklichkeit erhebt, wenn ich dieses zweifelhafte Wort gebrauchen darf.
Einige dieser Aspekte sind uns vielleicht völlig unbekannt, aber sie können sich einem anderen Beobachter mit einem anderen Abstraktionssystem enthüllen.
Sagen Sie mir aber, Salviati, wie können wir dann immer noch behaupten, daß wir draußen, in der objektiven, wirklichen Welt, etwas entdecken können. Bedeutet das nicht, daß wir die Dinge bloß nach unseren Bildern erschaffen, und daß die Wirklichkeit nur in uns ist?
S ALVIATI : Ich glaube nicht, daß das notwendigerweise so sein muß, aber es ist eine Frage, die gründliche Reflexion erfordert. 1
Jauch hat es hier mit Botschaften zu tun, die nicht von einem „vernunftbegabten Wesen“ stammen, sondern von der Natur selbst. Die Fragen, die wir in Kapitel VI über die Beziehung der Bedeutung zur Botschaft stellten, ließen sich genausogut über Botschaften von der Natur selbst stellen. Ist die Natur chaotisch? Ist sie strukturiert? Und welche Rolle spielt Intelligenz beim Bestimmen der Antwort auf diese Frage?
Um uns nun wieder von der Philosophie zu entfernen, können wir das Problem der tiefliegenden Gesetzmäßigkeit einer scheinbar zufälligen Folge betrachten. Könnte die Funktion Q( n ) in Kapitel V ebenfalls eine einfache, nicht-rekursive Erklärung haben? Kann jedes Problem wie ein Obstgarten in einem solchen Blickwinkel gesehen werden, daß sich sein Geheimnis enthüllt? Oder gibt es in der Zahlentheorie Probleme, die ein Geheimnis bleiben, unter welchem Gesichtswinkel man sie auch betrachte?
Nach diesem Prolog meine ich, daß es nunmehr Zeit ist, die genaue Bedeutung des Ausdrucks „voraussagbar lange Suche“ zu definieren. Das wird vermittels der „BlooP“-Sprache erfolgen.
Erste Schritte in der BlooP-Sprache
Unser Thema wird die Suche nach natürlichen Zahlen mit verschiedenen Eigenschaften sein. Um über die Länge eines Suchprozesses sprechen zu können, müssen wir zuerst einige Anfangsschritte definieren, aus denen sich alle Suchprozesse zusammensetzen, so daß die Länge sich in einer Anzahl von Schritten messen läßt. Einige Schritte, die wir als grundlegend bezeichnen können, sind:
Addition zweier beliebiger natürlicher Zahlen,
Multiplikation zweier beliebiger natürlicher Zahlen,
Feststellung, ob zwei Zahlen gleich sind,
Bestimmung der größeren (oder kleineren) zweier Zahlen.
Schleifen und Obergrenzen
Wenn wir versuchen, einen Test für, sagen wir „Primität“, basierend auf solchen Schritten, zu formulieren,
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