Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Man könnte sogar von außen eingebrachte Gestalten oder Begebenheiten hinzufügen, die gar zum Geist der vorausgegangen Erzählung im Widerspruch stehen. Ein naiver Leser würde das Ganze schlucken, aber ein geschulter Leser könnte die Grenzlinie genau feststellen.
Schildkröte: Das ist ein sehr origineller Einfall, Achilles. Ich gebe ihn an meinen Freund weiter, und vielleicht kann er ihn in seinen Dialog einbauen.
Achilles: Das wäre mir eine große Ehre.
Schildkröte: Ich fürchte, ich bin ein bißchen durcheinander, Achilles. Ich sollte mich verabschieden, solange ich noch imstande bin, den Heimweg zu finden.
Achilles: Es ist sehr schmeichelhaft für mich, daß Sie so lange aufgeblieben sind, und zu solch ungewöhnlicher Stunde, nur meinetwegen. Ich versichere Ihnen, Ihre zahlentheoretische Unterhaltung war genau das richtige Mittel gegen mein übliches Hin- und Herwälzen im Bett. Und wer weiß — vielleicht kann ich heute Nacht sogar schlafen. Als ein Zeichen meiner Dankbarkeit, Herr S., würde ich Ihnen gerne ein besonderes Geschenk machen.
Schildkröte: Ach, lassen Sie das doch Achilles!
Achilles: Es ist mir ein Vergnügen, Herr S. Gehen Sie zu der Kommode dort, auf ihr werden Sie eine orientalische Dose finden.
(Herr Schildkröte geht zu Achilles' Kommode)
Schildkröte: Sie meinen doch nicht diese aus purem Gold gefertigte orientalische Dose?
Achilles: Jawohl, das ist sie. Bitte nehmen Sie sie mit meinen besten Komplimenten entgegen, Herr S.
Schildkröte: Vielen herzlichen Dank, Achilles. ... Hm — warum sind denn all diese Namen von Mathematikern in den Deckel eingraviert? Was für eine seltsame Liste!
D e M o r g a n
A b e l
B o o l e
B r o u w e r
S i e r p i ń i s k i
W e i e r s t r a s s
Achilles: Das soll wohl eine vollständige Liste aller großen Mathematiker sein. Was ich aber nicht herausfinden konnte, das ist, warum die Buchstaben in der Diagonalen so viel fetter sind.
Schildkröte: Unten steht: „Ziehe 1 von der Diagonale ab, um Bach in Leipzig zu finden!“
Achilles: Ich habe es schon gesehen, aber ich werde nicht schlau draus. Was würden Sie zu einem Schluck vortrefflichen Whisky sagen? Zufällig habe ich noch etwas drüben in meinem Contor.
Schildkröte: Nein danke, ich bin zu müde. Ich mache mich gleich auf den Heimweg. (Er öffnet die Dose, ohne sich etwas dabei zu denken.) Halt — Augenblick, Achilles. Da sind ja hundert Louisdor drin.
Achilles: Es würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie sie annähmen, Herr S.
Schildkröte: Aber — aber -
Achilles: Keine Widerrede! Die Dose, das Gold — es gehört Ihnen. Und Dank für einen Abend, der seinesglichen sucht.
Schildkröte: Was ist den in Sie gefahren, Achilles? Nun, Dank für Ihre Großzügigkeit, und ich denke, Sie dürften schöne Träume über die Goldbach-Vermutung und ihre Variation haben. Gute Nacht!
(Und er nimmt die mit hundert Louisdor gefüllte orientalische Dose aus purem Gold und geht zur Tür. Als er hinausgehen will, ertönt ein lautes Klopfen.)
Wer könnte zu dieser nachtschlafenden Zeit klopfen, Achilles?
Achilles: Ich habe nicht die blasseste Ahnung. Kommt mir verdächtig vor. Verstecken Sie sich hinter der Kommode für den Fall, das die Sache faul ist.
Schildkröte: Gute Idee! (Versteckt sich hinter der Kommode.)
Achilles: Wer ist da?
Stimmen: Aufmachen! Polizei!
Achilles: Nur herein, die Tür ist offen.
(Zwei stämmige Polizisten kommen herein, jeder mit einer glänzenden Plakette.)
Polizist: Ich heiß' Kupfa. Das da ist Kollege Silva. (Zeigt auf seine Plakette.) Goldig, nicht? Wohnt hier ein gewisser Achilles?
Achilles: Das bin ich!
Polizist: Nun, Achilles, wir haben Grund zur Annahme, daß sich hier eine goldene orientalische Dose befindet, die mit hundert Louisdor gefüllt ist. Die hat heute nachmittag jemand im Museum mitgehen lassen.
Achilles: Um Himmels willen!
Polizist: Wenn sie hier ist, Achilles, wären Sie der einzig mögliche Tatverdächtige, und ich müßte Sie, so leid es mir täte, in Gewahrsam nehmen. Nun — hier habe ich einen Hausdurchsuchungsbefehl ...
Achilles: Ach, meine Herrn, ich bin so froh, daß Sie gekommen sind. Den ganzen Abend hat mich Herr Schildkröte mit Gold, Bach und Variationen derselben tyrannisiert. Nun sind Sie endlich gekommen, um mich zu befreien. Bitte, meine Herren, schauen Sie hinter der Kommode nach, dort werden Sie den Schuldigen finden.
(Die Polizisten schauen hinter der Kommode nach und erblicken Herrn Schildkröte, der
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