Göring: Eine Karriere (German Edition)
drei Wagen zu einer gemeinsamen Prozession. Rund 30 000 Soldaten standen Spalier, um die Menge der Gaffer zurückzuhalten.
»Wie bei einer königlichen Hochzeit«: Das Brautpaar während des Hochzeitsfrühstücks im Hotel Kaiserhof
Entgegen den Regeln der NSDAP und obgleich er in der Luftwaffe keine Militärpfarrer gestattete, hatte Göring auf einer anschließenden kirchlichen Trauung bestanden. Er war nicht religiös, doch er schätzte das kirchliche Zeremoniell. Zu den Feierlichkeiten im Berliner Dom waren rund 320 Gäste geladen, darunter das gesamte diplomatische Korps. Auch das Volk sollte an all der Pracht teilhaben dürfen: Eintrittskarten für den Dom wurden zu 20 Reichsmark verkauft. Die Predigt des evangelischen Reichsbischofs Ludwig Müller war allerdings auf wenige Minuten beschränkt. Viel wichtiger als die erbaulichen Bibelworte »Und redete ich mit Menschen- und mit Engelszungen, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle« war für Göring das Rahmenprogramm: Zehn Luftwaffengeneräle hoben ihre Säbel über dem Paar zum Spalier, als dieses nach der Trauung die Stufen des Berliner Domes hinunterschritt und sich der jubelnden Masse zeigte. Begleitet von vielen »Ahs« und »Ohs«, dröhnten Jagdflugzeuge dicht über die Köpfe der Gaffer hinweg. Görings Kalkül ging auf: Gleichermaßen ironisch wie beeindruckt bemerkte der englische Botschafter Phipps nach der Hochzeit: »Jetzt bleibt ihm nur noch eins – der Thron oder das Schafott.« Im Pariser Exil veröffentlichte der Schriftsteller Klaus Mann, der Sohn von Thomas Mann, einen bissigen Brief an die Braut: »Himmel, was haben Frau Landesmutter für eine Karriere gemacht. Und was für Hochzeitsgäste sie hatten: Sämtliche alten Mitkämpfer, die ihr flotter Gatte noch nicht hatte umbringen lassen.«
Emmy war eine rührende, reizende, freundliche Frau, keine sehr bedeutende Schauspielerin, aber eigentlich das Urbild der deutschen Frau, die man sich damals erträumte. Sie mussten ja alle blond und groß und lieb und fraulich sein. So war sie.
Lola Müthel, Schauspielerin
Im Anschluss an die kirchliche Trauung fuhr das Brautpaar mit seinen Gästen zum »Kaiserhof« zwecks Hochzeitsfrühstück. Danach begaben sich die frisch Vermählten mit Verwandten und engeren Freunden nach Carinhall, wo Göring seine Gäste einige Zeit allein ließ und das Grab seiner ersten Frau aufsuchte. Darauf bedacht, das repräsentative Potenzial der Hochzeit möglichst tiefgehend auszuschöpfen, ließ Göring in einer Mischung aus Berechnung, Prunksucht und kindlicher Eitelkeit am Tag nach der Hochzeit seine Geschenke vorführen: »Meine Herren, ich habe Sie hergebeten, damit ich Ihnen die Geschenke zeigen kann, die mein Volk mir gegeben hat«, ließ er das handverlesene Publikum nach den Worten des Korrespondenten der Nachrichtenagentur »Associated Press«, Louis P. Lochner, wissen. Voller Stolz präsentierte Göring in zwei bewachten Räumen seine neuen Kostbarkeiten, darunter den höchsten bulgarischen Orden für sich selbst und ein Saphirarmband für seine Frau vom bulgarischen Zaren Boris, ein Bismarck-Porträt von Lenbach aus der Hand Hitlers und das berühmte Breslauer Stadtschloss-Essservice aus der Königlich-Preußischen Manufaktur, eine Gabe der Reichsbank. Lochners Kommentar angesichts der prächtigen Geschenke beschreibt, wovon Göring bei all seiner Prunksucht profitierte: »Und doch ist Göring ein Typ, dem man nicht böse sein kann. Seine Eitelkeit ist so unverhohlen und seine Prachtliebe so naiv, dass man einfach lachen muss und Ja und Amen dazu sag.«Ähnlich wie Lochner mochte es vielen Deutschen gegangen sein, zumal das Bedürfnis nach einer Repräsentationsfigur des Reichs ungebrochen war. Hitler selbst war als propagandistisch überhöhter »Führer« viel zu weit entrückt, als dass die breite Masse sich mit ihm zu identifizieren vermochte, Reichspräsident Hindenburg nicht mehr am Leben. Was blieb, war Göring, der die Rolle des Machthabers »zum Anfassen« mit Vergnügen übernahm und ausfüllte.
»Erste Dame des Reiches«: Emmy Göring bei einer Straßensammlung am »Tag der nationalen Solidarität« 1938
Wegen Hitlers Ehelosigkeit übernahm Emmy fortan die Rolle der First Lady im nationalsozialistischen Deutschland. Dabei hielt Görings Frau sich auch nach der Eheschließung ganz im Sinne ihres Herrn Gemahls aus dem politischen Geschehen heraus, ein Verhalten, das ihre Popularität beim
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