Göring: Eine Karriere (German Edition)
parteiungebundene Fachleute. Auf die Führungskader der NSDAP griff er nur selten zurück. Nach wie vor hielt er die Partei auf Distanz. Seine Macht beruhte auf dem Vertrauen Hitlers und den von ihm okkupierten Teilen des Staatsapparats, die er durch loyale Untergebene kontrollierte.
Die forcierte Aufrüstung ließ sich auf Dauer nicht verheimlichen. Gegenüber dem britischen Luftwaffenattaché brüstete sich Göring im Februar 1935, er habe bereits 1500 Kampfflugzeuge unter seinem Kommando. Die Briten, so das Kalkül, würden umso weniger gegen den Vertragsbruch vorgehen, je stärker sie die deutsche Luftwaffe einschätzten. Tatsächlich verfügte die insgeheim aufgebaute Luftwaffe zu diesem Zeitpunkt über gerade einmal 100 alte Jäger, 60 Bomber und 45 Aufklärungsflugzeuge. Doch die englischen Politiker schluckten die Übertreibung und nahmen die Verletzung des Versailler Vertrags hin. Und da sie es taten, wagte auch die zweite große Siegermacht, Frankreich, nicht, den offenen deutschen Vertragsbruch anzuprangern. Anfang März 1935 konnte Hitler offiziell die Existenz einer deutschen Luftwaffe verkünden. Die Zeit des Versteckspielens war vorbei. Im September wurde die Luftwaffe beim Reichsparteitag in Nürnberg öffentlich zur Schau gestellt. Für Göring war dies nur der Beginn. »Mir schwebt vor, eine Luftwaffe zu besitzen«, äußerte er bei einer Vereidigung von Fliegerleutnanten, » die, wenn einmal die Stunde schlagen sollte, wie ein Chor der Rache über den Gegner hereinbricht; der Gegner muss das Gefühl haben, schon verloren zu sein, bevor er überhaupt mit euch gefochten hat.«
Oben: »Ein Volk von Fliegern«: Milch, Göring und Hitler besichtigen im April 1935 ein Luftwaffengeschwader
Unten: »Eine Luftwaffe besitzen, die wie ein Chor der Rache über den Gegner hereinbricht«: Flugvorführung auf dem Reichsparteitag in Nürnberg, 1935
Auch im Privaten hatte das Versteckspiel ein Ende. Seit längerem hatte Hitler ihn gedrängt, die Liaison mit Emmy Sonnemann zu legalisieren. Bis dahin war sie bei offiziellen Anlässen, zu denen sie ihn begleitet hatte, als »Privatsekretärin« vorgestellt worden – eine unziemliche Maskerade, wie Hitler meinte, der es freilich bei der eigenen Geliebten Eva Braun nicht anders hielt. »Der Führer meint, es gibt zu viele Junggesellen unter uns hohen Tieren in der Partei«, erklärte Göring Lady Phipps, der Frau des britischen Botschafters, als er die Verlobung im März 1935 bei einer kleinen illustren Abendgesellschaft in Berlin verkündete. Einen Monat zuvor, im Februar 1935, hatte er der Geliebten ein Billet geschickt: »Magst Du mich Ostern heiraten? Der Führer wird unser Trauzeuge.« Freudestrahlend war ihm Emmy Sonnemann um den Hals gefallen und hatte Ja gesagt.
Die Hochzeit war Göring ein willkommener Anlass seine Machtstellung als zweiter Mann hinter Hitler zu demonstrieren. Zum zweiten Mal heiratete er eine geschiedene Frau, mit der er jahrelang in »wilder Ehe« gelebt hatte. Beim ersten Mal hatte er sich mit einer schlichten, standesamtlichen Trauung begnügt. Die neue Ehe ließ er im Stile königlicher Traumhochzeiten inszenieren – mit gnädiger Duldung seines Herrn und Meisters. Seit Kaisers Zeiten hatte Berlin keine derartige Prachtentfaltung mehr gesehen. Die opulenten Feierlichkeiten, deren Kosten von der »Reichsgruppe Handwerk« getragen wurden, erregten internationales Aufsehen. Am Vorabend der Hochzeit luden Göring und Emmy im großen Foyer des Opernhauses zu einem grandiosen Empfang mit vier riesigen Champagnerbuffets ein, anschließend nahm man Platz zu einer Galavorstellung der zweiten Hälfte von »Lohengrin«. Vor der Oper zogen indessen Parteigenossen und Schaulustige durch die festlich geschmückten Straßen. Am Vormittag des 10. April 1935, des Hochzeitstags, spielten acht Kapellen vor dem Palais des Ministerpräsidenten auf. Ganz Berlin war auf den Beinen, um Görings Hochzeit zu feiern. »Wer Berlin in diesen Tagen besuchte«, bemerkte der britische Botschafter Sir Eric Phipps, »könnte glauben, die Monarchie sei wiederhergestellt und man sei mitten in die Vorbereitungen für eine königliche Hochzeit hineingeraten.« In einem offenen Wagen, gekleidet in die Uniform eines Generals der Luftwaffe, fuhr Göring zur standesamtlichen Trauung ins Rathaus. Von der Reichskanzlei näherte sich Hitler in einer weiteren Limousine, die Braut kam – ganz in Weiß – in einem dritten Wagen. Schließlich vereinigten sich die
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