Göring: Eine Karriere (German Edition)
es nur, um die dazugehörigen Dienstvillen und Mitarbeiter zu seiner Verfügung zu halten. In einer selbst für das »Dritte Reich« beispiellosen Ämterhäufung kumulierte der »Zuständigkeitsgigant«, wie er genannt wurde, bis zum Ende des Regimes eine Fülle heterogener Stellungen. Neben gewichtigen Positionen wie der eines Oberbefehlshabers der Luftwaffe standen so exotische Titel wie der eines »Reichsforstmeisters« oder »Reichsjägermeisters«. Seine eigentliche Macht, dies blieb Göring stets bewusst, beruhte ohnehin nicht auf der Anzahl seiner Ämter, sondern auf seiner privilegierten Stellung bei Hitler. Es war nicht nur eine Verbeugung gegenüber Hitler, sondern auch eine durchaus realistische Einschätzung der Grenzen seiner Autorität, die ihn in seinem Buch »Aufbau einer Nation« schreiben ließ: »Wer nur irgend die Verhältnisse bei uns kennt, weiß, dass jeder von uns genauso viel Macht besitzt, als der Führer ihm zu geben wünscht. Und nur mit dem Führer und hinter ihm stehend ist man tatsächlich mächtig und hält die starken Machtmittel des Staates in der Hand, aber gegen seinen Willen, ja auch nur ohne seinen Wunsch wäre man im gleichen Augenblick vollständig machtlos. Ein Wort des Führers, und jeder stürzt.«
Nach der Beseitigung Röhms richtete Göring seine Energie vor allem in den Ausbau des eigens für ihn gegründeten Luftfahrtministeriums. In seinem Wunsch, der Schöpfer und Befehlshaber einer neuen deutschen Luftwaffe zu werden, die den Deutschen aufgrund des Versailler Vertrags verboten war, wusste er sich im Einklang mit den Zielen Hitlers, das Reich so schnell wie möglich wieder zur militärischen Großmacht zu erheben. Der Löwenanteil der Rüstungsausgaben, so hatte Hitler schon 1933 bestimmt, sollte in den Aufbau der neuen Luftwaffe fließen. Gegen den Widerstand der Heeresspitze unterstützte Hitler zugleich die Ambitionen Görings, der »seine« Luftwaffe als dritte, unabhängige Teilstreitkraft neben Heer und Marine etablieren wollte. Auf Drängen Hitlers musste Reichswehrminister von Blomberg die bereits insgeheim aufgestellten militärischen Fliegerverbände dem neuen Luftfahrtministerium überlassen. In gewohnter Gigantomanie machte Göring sich ans Werk. Sein Stiefsohn Thomas von Kantzow, Carins einziges Kind, besuchte ihn im Dezember 1934 in seiner Reichstagspräsidenten-Dienstvilla und war bestürzt über den Umfang der Pläne, die Göring vor ihm ausbreitete. »Ich warnte ihn, denn ich fürchte, dass er ein zweiter Ludwig II. von Bayern wird, jener Wahnsinnige, der den Tick hatte, ein Schloss nach dem anderen zu bauen«, notierte er in sein Tagebuch. Vergebens, wie er an Görings Reaktion bemerkte: »Er trat ans Fenster und zeigte auf das Reichstagsgebäude und sagte, er wolle ein fünfmal so großes Luftfahrtministerium errichten lassen, auf dessen Dach Flugzeuge landen und starten können.«
»Bei der Pirsch lassen sich Probleme oft leichter lösen als am grünen Tisch«: Im Wald und auf der Heide war »Reichsjägermeister« Göring ganz in seinem Element
Das deutsche Volk muss ein Volk von Fliegern werden.
Göring
»Monument des eigenen Machtanspruchs«: Das riesige Gebäude des Reichsluftfahrtministeriumssprengte alle bekannten Dimensionen
Im Januar 1935 legte Göring den Grundstein für den Bau, der zum Monument seines Machtanspruchs wurde. In der Mitte Berlins, zwischen Wilhelmstraße, Leipziger Straße und Prinz-Albrecht-Straße entstand ein gigantisches Gebäude mit fast 3000 Räumen – ein Reich aus Beton, Glas und Marmor, in dem schon bald 4000 Offiziere und Angestellte arbeiten sollten. »Schlicht und einfach – koste es, was es wolle«, witzelten die Berliner über das neue Ministerium des »dicken Hermann«. Die massige Figur ihres obersten Dienstherrn sahen die hier Beschäftigten freilich nur selten. Die »Knochenarbeit« im Ministerium überließ Göring dem einstigen Fliegerkameraden und Direktor der Lufthansa, Erhard Milch, den er zum Staatssekretär ernannt hatte. Dass Milch väterlicherseits jüdische Vorfahren hatte, war für ihn kein Problem. Mit der Bemerkung: »Wer Jude ist, bestimme ich«, wischte Göring alle Bedenken vom Tisch. Milch zur Seite stellte er Ernst Udet und Bruno Loerzer – beide erfolgreiche Weltkriegs-Jagdflieger und Pour-le-Mérite-Träger wie er selbst. Ihre Berufung war typisch für Görings gesamte Personalpolitik. Als enge Mitarbeiter bevorzugte er entweder Kriegskameraden oder
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