Göring: Eine Karriere (German Edition)
sich endgültig als der zweite Mann hinter Hitler positioniert.
Oben: »... und der Bauch wird immer fetter«: Von der öffentlich gepredigten Enthaltsamkeit war Göring selbst meilenweit entfernt. Der Minister auf der »Grünen Woche« 1937 in Berlin Unten: »Ruinöser Rüstungswahn«: Göring bei der Besichtigung einer neu errichteten Hochofenanlagein Salzgitter
Göring wäre nicht er selbst gewesen, hätte er seine neue Machtstellung nicht auch zu seinem privaten Vorteil ausgenutzt. Schon als Reichstagsabgeordneter hatte er der Wirtschaft bedenkenlos seine Dienste als Lobbyist angeboten. Jetzt, da alle zu ihm kamen, die einen lukrativen Rüstungsauftrag oder eine großzügige Zuteilung von Rohstoffen und Devisen erhofften, hielt Göring ebenso unverfroren beide Hände auf. Er stürzte sich in seine neue Aufgabe mit der Begeisterung eines kleinen Jungen, »der plötzlich unbegrenzten Kredit bei allen Läden in der Nähe der Schule hatte«, wie ein Augenzeuge bemerkte. Die Vorstandschefs von Versicherungsunternehmen wie der Allianz, von Konzernen wie Rheinmetall, Junkers und BMW, sie alle zogen ihre Scheckbücher hervor, um Göring zu Gefallen zu sein. Der Tabakfabrikant Reemtsma allein überwies bis 1943 alle drei Monate 250 000 Mark auf Görings Konto. Offiziell wurden die »Spenden« durch Görings Privatsekretärin Fräulein Grundtmann als mildtätige Gabe verbucht, die der Chef an den Naturschutz, für kulturelle Aktivitäten oder »für in Not geratene Flieger« weiterleitete. Tatsächlich investierte Göring den größten Teil in den weiteren Ausbau von Carinhall, das nun zu einer wahrhaft prunkvollen Residenz geriet.
Nach der Hochzeit mit Emmy Sonnemann hatten sich der Zweck und die Bestimmung von Carinhall entscheidend geändert. Bislang hatte Göring Carinhall als Wochenend- und Jagdhaus benutzt. Gemeinsam beschloss das Paar, Carinhall zu seinem Hauptwohnsitz zu machen. Schritt für Schritt wurde Görings privates Refugium nun zu einem repräsentativen Herrensitz ausgebaut. Das »alte« Jagdhaus wurde nicht abgerissen, doch förmlich geschluckt durch einen gewaltigen Neubau, den »Waldhof Carinhall«. Am 20. Juli 1937 erhielt Hermann Göring in Anwesenheit vieler Gäste die Schlüssel zum neuen Komplex überreicht. Dominiert wurde die Anlage durch einen gewaltigen zweigeschossigen Mittelbau, in dem sich die Privaträume der Familie Göring befanden. Durch das große Hauptportal, dessen Dachterrasse zwei liegende Rothirsche aus Bronze schmückten, gelangte man in eine große Galerie, die durch den gesamten Mittelbau verlief. Von hier aus konnte der Besucher alle Räume des Erdgeschosses erreichen, insbesondere das riesige Arbeitszimmer Görings, die Bibliothek. Im Keller des Mittelbaus lagen Gymnastikräume mit Sportgeräten und eine Sauna. Hier war auch der kleine Kinosaal eingerichtet, in dem Göring seinen Gästen abends gerne Filme vorführen ließ. An den Mittelbau schlossen sich links und rechts zwei lange Seitenflügel an, die, durch einen offenen Bogengang verbunden, einen großen rechteckigen Innenhof umschlossen.
Oben: »Das Versailles, in dem Göring den Sonnenkönig spielen durfte«: Der Hausherr eröffnet den umgebauten Waldhof Carinhall, 20. Juli 1937
Unten: »Er zeigte seinen Gästen gern die Wunder seiner Residenz«: Carinhall beherbergte auch einen Gymnastikraum – was offenbar selbst Hitler in Erstaunen versetzte
Oben: »Der Reichsmarschall versteht es ausgezeichnet, sich architektonisch anzuziehen«: Die gewaltigen Ausmaße der großen Halle in Carinhall beeindruckten die Besucher Unten: »Onkel Hermann, lass doch mal den französischen Zug heraus!«: Göring spielt gemeinsam mit seinem Neffen Klaus mit der Modelleisenbahn
Unter den reetgedeckten Dächern seiner Residenz empfing Göring einen endlosen Strom von Prominenten, Staatsgästen und Diplomaten. Mit Genuss übernahm er repräsentative Aufgaben, vor denen Hitler sich gerne auf den Obersalzberg zurückzog. Carinhall war das »Versailles«, in dem Göring den Sonnenkönig spielen durfte. Eine besondere Attraktion, die der Hausherr mit Vorliebe ausländischen Besuchern vorführte, beherbergte der Dachboden des nördlichen Flügels. Auf einer Fläche von 100 Quadratmetern stand hier die größte Modelleisenbahn der Welt mit über 600 Meter Schienennetz – ein Geschenk des Preußischen Staatstheaters. Von zwei Schaltstellen aus konnten 40 elektrische Weichen und Signallampen gesteuert werden. Stolz wie ein Junge
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