Göring: Eine Karriere (German Edition)
Volk wie bei den in- und ausländischen Machthabern eher steigerte als schmälerte. Göring selbst zog eine scharfe Trennung zwischen Ehe und Politik, Emmys Rolle war die der aufmerksamen und freundlichen Gastgeberin bei den zahlreichen Bällen, Empfängen und Jagden – Gelegenheiten, bei denen sie sich gerne mit »Hohe Frau« anreden ließ. In den Augen der Schauspielerkollegin Lola Müthel war Görings zweite Ehefrau Emmy zwar keine sehr bedeutende Mimin, aber auch keine Frau, die ihre Nähe zum zeitweise wichtigsten Mann nach Hitler für Intrigen oder eigene politische Interessen genutzt hätte. »Blond und groß und lieb und fraulich«, dabei »harmlos und töricht«, habe Emmy gewissermaßen das »Urbild der deutschen Frau« verkörpert. Ihrem mächtigen Gatten war sie allem Anschein nach in aufrichtiger Zuneigung verbunden, und auch Hermann Göring liebte seine zweite Frau, die selbst sein heiligenartiges Angedenken an die verstorbene Carin klaglos hinnahm. Obwohl Göring die Verehrung seiner ersten Frau ebenso wenig aufgab wie den Kontakt zu deren Familie, war seine zweite Ehe für beide Partner eine glückliche Verbindung.
Der Wirtschaftsdiktator
Seit Hitler die Existenz einer deutschen Luftwaffe offiziell verkündet hatte, träumte Göring davon, die neue Waffengattung unter seiner Führung zur schlagkräftigsten in Europa zu machen. Binnen kurzem, beschwor er Hitler, könne er die Stärke der Luftwaffe verdoppeln, wenn man ihm nur die notwendigen Geldmittel und Rohstoffe zur Verfügung stelle. Der Diktator war angetan, doch angesichts der Engpässe bei Material und Devisen, mit denen das Reich im Lauf des Jahres 1935 kämpfte, mussten Görings Pläne illusorisch bleiben – es sei denn, es gelang ihm, bei der Verteilung der knappen Güter, um die die Reichswehr unter Kriegsminister von Blomberg und andere Ressorts einen erbitterten Kampf führten, einen größeren Anteil für die Luftwaffe herauszuschlagen. Dieser Wunsch war Görings Triebfeder, seine Hände nun auch in die Bereiche der Wirtschaft auszustrecken, die bis zu diesem Zeitpunkt die Domäne des Wirtschaftsministers und Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht gewesen waren.
Ironischerweise war es Schacht selbst, der Hitler Anfang April 1936 veranlasste, Göring zum »Devisen- und Rohstoffkommissar« zu ernennen. Schacht glaubte sich dadurch der leidigen Streitigkeiten auf dem Rüstungssektor entledigen zu können und mehr Zeit für seine eigentlichen Aufgaben als Wirtschaftsminister zu haben – eine krasse Fehleinschätzung. Er übersah zum einen, dass Wirtschaftspolitik im »Dritten Reich« vor allem Aufrüstung bedeutete, und zum anderen schätzte er den Charakter Görings völlig falsch ein. Der geheime Erlass Hitlers vom 4. April 1936 markierte den Beginn des Aufstiegs Görings zum deutschen Wirtschaftsdiktator.
Kaum im Amt, begann Göring, seine Kompetenzen auszuweiten und Schacht, der ihn an Bord geholt hatte, seinerseits auszubooten. Obwohl der Erlass ausdrücklich als »Geheime Reichssache« deklariert worden war, sorgte Göring persönlich dafür, dass er in die Zeitungen kam. Ohne Konsultation der anderen Ressorts richtete er am 1. Mai 1936 eine neue selbstständige Dienststelle ein mit der Bezeichnung »Ministerpräsident Generaloberst Göring – Rohstoff- und Devisenstab«. Umgehend protestierte Schacht bei Hitler gegen die Amtsanmaßung – vergeblich. Am 3. Mai 1936 notierte Goebbels in sein Tagebuch: »Er [der »Führer«] hatte Unterredung mit Schacht. Der wollte Görings Vollmacht wieder einschränken, aber das hat der Führer abgelehnt. Es wird nicht mehr lange gut gehen mit Schacht. Er gehört doch nicht mit dem Herzen zu uns. Vor allem über das, was er öffentlich redet und schreibt. Aber auch Göring wird sich schwer tun, mit der Devisen- und Rohstofflage fertig zu werden, er versteht nicht allzu viel davon und ist auf Ratschläge angewiesen.« Görings rücksichtsloser Elan und seine Nähe zu Hitler erwiesen sich als stärker als das Recht und die Kompetenz, die Schacht für sich beanspruchen konnte.
»I. Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein.
II. Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.«
Denkschrift Hitlers, 26. August 1936
Statt Görings Vollmachten einzuschränken, weitete sie Hitler in den nächsten Monaten noch aus. Im Oktober 1936 übertrug er ihm bei einem Spaziergang auf dem Obersalzberg das Amt, das Göring mit einem Schlag zum mächtigsten Mann der
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