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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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unausgesetzt bedauert!«
    Vor die Vitrine hin trat Herder, in der Karlsbader Gesteinstücke wohlgeordnet, wohlbezeichnet, in übersichtlicher Folge gesammelt lagen. »Tasso,« fragte er leichthin, ohne Seitenblick im Betrachten, »hast du noch nicht gefördert?«
    »Der Plan ist fertig.«
    »Faust?«
    »Ein Stückchen.«
    »Und« – sehr gewandt drehte Herder um – »was kommt nun als erstes dran?«
    Obwohl er dieser teuflischen Frage gegenüber den Kopf möglichst gleichgültig hoch aufheben wollte, es senkte sich Goethens Gesicht. Worin die Erweckung auswirken? Peinigt diese Frage nicht schon Tage und Nächte? Foltert sie nicht mit ihrem unablässigen Hohnblick? Muß nicht das Ergebnis dieser Reise als etwas Urgewisses in dir drinnen liegen, so fest urgewiß, daß du nur die Ärmel zu schütteln brauchst, und es fließt greifbar und sichtbar heraus? »Ich weiß noch nicht,« sagte er heiser. »Wollen sehen.«
    Salbungsvoll trat Herder an ihn heran. Weich legte er die zwei beruhigten Hände über die steifen kalten, und mit dem Blick eines Predigers versuchte er das abgewandte Auge zu treffen. »Ich enthalte mich jeden Rates. Ich verstehe den embaras des richesses; ich verstehe auch das Gefühl des Deplaziertseins, das dich jetzt, hier, verzweifelt und darum ungerecht macht. Aber ich meine, du darfst, wenn du dein Hauptwirken nun auf den Dichter werfen willst, nicht den Stern übersehen, der im Aufgehen ist und, wenn du nicht wieder bald zu leuchten anhebst, gefährlich werden kann! Es steckt etwas in diesem ›Dom Carlos‹, kann ich dir sagen . . .«
    »Gott!« Behende öffnete Goethe die Tür. »Ich bin schließlich nicht auf die Welt gekommen, um ein Stern am deutschen Himmel zu werden, sondern . . . . .«
    »Sondern?«
    »Lebewohl!« Eigentümlich hell lachte er und zog den Arm von Herder zurück. »Und hab keine Angst. Es wird alles werden.«
    »Es wird gar nichts werden!« sagte er aber ganz leise vor sich hin und ganz langsam, als sich die Tür hinter Herdern geschlossen hatte. Sein Gesicht war jetzt grau. Aber keine Empörung mehr in den Augen. Nur noch Müdigkeit. Müde war auch die Gestalt. »Nicht wahr,« flüsterte er wehmütig zur Geliebten hinab, die noch immer treu an ihm lehnte, »Du würdest mich nicht mehr erkennen jetzt? Ja! Der Mensch denkt und Gott lenkt!« Aber nicht einmal eine Träne gab das ermattete Auge jetzt her. Da ist eine Stube, sagte es ergeben. Rund herum ein Haus. Rund um das Haus eine brave Stadt, die nichts dafür kann, daß ich viel mehr sehne als sie. Gute Stadt. Würdige, biedere Leute. Du mußt dich ihnen anbequemen! Nicht sie sich dir! Wenn du schon einmal weißt, daß du anders bist als alle anderen, dann mußt auch du es sein, der ihnen, überlegen, entgegenkommt! Oder – sich ohne sie ergibt! »Nein!« begehrte leidenschaftlich die treue Geliebte an seiner Brust auf, – wenn sie nur das Auge hob, glänzte Roms göttlicher Himmel – »nein! Gehe nicht zu ihr hin ein zweitesmal!« – »Doch!« sagte er fest. »Ich will es mir nicht hingehen lassen, aus Stolz oder Starrsinn nicht das letzte zu versuchen.« – »Und wenn es umsonst ist?« – »Es wird nicht umsonst sein!« – »Es wird ganz gewiß umsonst sein!« – »Es wird ganz gewiß nicht umsonst sein!« schrie er auf, stieß die Geliebte von sich, schlug die Hände vors Gesicht und lief aus der Stube.
    * * *
    »Exzellenz!« hielt ihn Sutor auf dem Treppenabsatze auf, »Herr von Dalberg lassen fragen . . .«
    Ohne die Hände vom Gesicht zu nehmen, begann er die Treppe hinabzusteigen.
    »Aber Seine Durchlaucht der Prinz von Gotha sind auch da gewesen!«
    Dieses nämlich war es: Diese Stube, dieses Haus, diese Stadt, dieses Land war die Heimat! Aber jene Frau an der Ackerwand drüben, – wenn dieses Herz nicht wie durch ein Wunder sich noch einmal aufmacht und alleinsichtig lispelt: Aber ich bin es noch mehr . . ?
    »Aber erst der Weinbauer, Exzellenz!« Atemlos kam Sutor nachgesprungen. »Dreimal sprach er schon vor, und wenn Sie nicht heute bestellen, – er hat nur noch sieben Yhren vom Weißen!«
    Nicht einmal mit der Hand winkte Goethe ab. Wie ein Nachtwandler stieg er die Treppe zu Ende. Wie ein Nachtwandler nach wenigen Minuten sie wieder hernieder. »Tu es nicht! Tu es nicht!« beschwor ihn vor dem Tor die Geliebte, in panischer Furcht hängte sie sich an ihn, alle Wonnen dieser Glieder, alle Zauber dieser Seele, des Glücks ungemessene Tage riefen ihn an: »Tu es nicht! Tu es nicht!« Er

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