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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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er sich los vom Tische, gab die Hände auf den Rücken und begann wieder auf und nieder zu schreiten im Käfig. Gibt es nämlich einen Käfig auf dieser Menschenerde, der anders als durch Großherzigkeit, Weitherzigkeit aufgerissen werden kann? Hatte sie, am Ende, Fritzen herübergeschickt? War das ein Zeichen? Empfand auch sie, daß es so nicht bleiben könne, nicht bleiben dürfe? »Nein! So darf es nicht bleiben!« Stürmisch wurde sein Schritt. Die Flügel seiner Nase zuckten. In den Augen kämpfender Wechsel von Dunkel und Leuchten. Drehte sich die Stube um seine Irrjagd? Die Welt um die Stube? »Aber? Wie es anfangen? Zu ihr hinübergehen, – noch einmal?«
    »Nein!« Er stampfte in den Boden. Allein sein! Allein bleiben! Nach solchem Ende gibt es keinen Anfang mehr! Ein Geist, der wahr ist, erkennt das und ergibt sich. Und ein Geist, der voll ist, läßt sich auch in einem Käfig nicht zur Unfruchtbarkeit pressen. Man sitzt da, denkt, schreibt, sinnt wieder, alles Erworbene blüht langsam auf, glüht umso kräftiger und lichter auf, je weniger nun noch ein anderer Geist dazu wirft, – und eines Tages ist der Erweckte zum Höchsten imstande, wozu es ein Geist in der Welt bringen kann: von sich allein zu leben! »Oder habe ich's nicht etwa, seitdem ich Mann geworden bin, einzig und allein nur daraufhin angelegt? In Rom, wie sie doch alle meinten, ich lebte von ihnen, indes ich oft mutterseelen einsam, ja wie der einzige Mensch in der Wüste . . . .«
    Der Schweiß trat ihm auf die Stirne. Als ob er sonst umfallen müßte, lehnte er sich schwer an das Pult. Hatte er sich, am Ende, in Rom doch zu leichtfertig dazu entschlossen, ein für allemal das Herz zu töten und sich so von den Menschen zu lösen? »Karl August,« flüsterte er, wie in eine Miene grausigen Schreckens gebannt, vor sich hin, »sagt: du und ich! Und ist trotzdem der Einzige, an den ich mich klammern will! Aber ein Mann! Ich jedoch« – über das Dielenbrett stolperte er, erblickte den angefangenen Brief mit der Aufschrift »Lieber Meyer« auf dem Tische – »brauche ich wirklich eine Frau? Kann mich nur eine Frau fassen?« Und: war dann Charlotte vielleicht im Rechte? Darf eine Frau, die man wie seinen Gott geliebt hat, verlangen, daß man ihr entweder mit dem Herzen weitergehöre, oder gar nicht mehr? Darf sie das?
    »Nein! Was ich wollte, was ich von ihr erwartete,« – in Fetzen zerriß er den hilflosen Brief – »und was ich auch jetzt nicht aufgeben will, das ist . . .«
    Scharf schaute er in den zweiten Funken, der im milchigen Himmel drin aufglomm. ». . . das hat mit der Liebe zwischen Mann und Weib nichts zu tun! Alles Geschaffene entwickelt sich. Auch die Liebe. Die meinige hat sich dahin entwickelt, daß ich nicht mehr abhängig sein kann von ihr, – und mich dennoch ausgießen will! Muß! Aber wo nun? Wo,« stieß er, gewürgt von der Qual, Vulkan zu sein und nicht ausbrechen zu können, in den höhnischen Funken hinein, »ist nun dieser eine, einzige Mensch, dieses lebendige Herz, das mir den heroischen Entschluß, heimzukehren, mit Milde, mit Nachsicht, mit Freude, – ach! mit Durst nach mir vergilt? Wo?«
    »Ein Kurier Seiner Durchlaucht ist unten!« flüsterte es aufgeregt durch das Schlüsselloch herein.
    Er riß die Tür auf. Aber als er die Treppe hinabgejagt kam, fand er neben dem Kurier Herdern. »Melden Sie Seiner Durchlaucht,« fertigte er rasch den Husaren ab, »daß ich pünktlich um acht bei Seiner Durchlaucht sein werde! – Komm!« sagte er gleich darauf zu Herdern und schob ihn in die große dunkle Stube; »setz dich!«
    »Du beliebst, dich verleugnen zu lassen?«
    »Ich hatte zu tun.«
    »Ich kam im Auftrag des Herzogs!«
    »Ist bereits erledigt.«
    »Du weißt doch noch nichts von Edelsheims Briefen?«
    »Alles!«
    »Ich muß sagen,« – feuerrot wurde Herders Gesicht – »wenn ich der Herzog wäre . . . .«
    »Gott sei Dank bist du nicht der Herzog! Sei nicht böse!« Grimmig lächelte der Blick, weil Herders Brust sich schon drohend aufblähte; »ich gesteh es: ich bin gereizt.«
    »Gereizt? Einstimmiges Urteil von ganz Weimar: unerträglich!«
    » Bon! «
    Wütend schüttelte Herder den Haarbeutel. »Du willst a tout prix das enfant terrible von Weimar bleiben? «
    »Bist du gekommen, um mir Sottisen zu sagen?«
    »Hast du mich empfangen, um mir Sottisen zu sagen?«
    »Ich wollte dich überhaupt nicht empfangen!«
    Wie von einer Schlange gebissen, sprang Herder empor. Aber auch Goethe.

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