Goethe
gut von dir,« sagte sie, trotz allen wilden Jubels in der Brust doch gemessen, »daß du kommst. Ich danke dir! Wir wollen doch den Leuten nicht das Schauspiel bieten . . . .«
»Ich bin nicht der Leute halber gekommen!« unterbrach er innig – o, diesmal wollte er vorsichtig sein! – »sondern meinetwegen! Ich konnte es nicht ertragen so!«
Sie nickte nur. Wie der Raum seine Maße nun wieder bekam! Die Welt sich draußen leicht wiederum zusammenbaute! »Komm«, sagte sie, jetzt war sie wie ein Kind, »setz dich zu mir her und erzähle!«
»Der Hund war also – doch treu?«
Ohne ein Wort herauszubringen, nahm sie den Stickrahmen. Die Hände zitterten ihr. Daß dieses Wunder doch geschehen war! Denn: ein Wunder war es! Und welches!
»Und: sag!« Mit einer Stimme, in deren Spannung noch der ganze Wahnsinn der verquälten Nacht zitterte, tappte er sich näher. »Ist's nun vorbei? Endgültig wieder rein zwischen uns, Lotte?«
Ob er jetzt, in der nächsten Sekunde, aufspringen, sie in die Arme reißen, umschlingen, küssen, küssen wird, daß der letzte Rest des Grauenhaften aus ihr schwand, das letzte Eis schmolz, die Zukunft ihren goldenen Vorhang aufzog und das Meer vor ihrem Blick erschien, in dem die durstverbrannte Seele endlich eintauchen durfte? »Ich glaube,« sagte sie, mit Mühe sich behauptend im Wirbel, den ihre ruhelose Wonne und seine selige Ruhe um sie tanzten, »wir sollen gar nicht mehr reden davon? Meinst du nicht?«
»Im Gegenteil!« Ihm war so köstlich wohl jetzt im Innersten, in so erlösten Zügen genoß er die Befreiung, daß er keine Gefahr mehr zu fürchten vermochte. »Ich möchte davon reden! Sag« – weil sie unwillkürlich die Lippen schloß –: »hättest du es so – ertragen?«
Was hieß diese Frage? Sie war nicht nur zugrundegegangen in diesem Zusammenbruch, sondern die Fratze eines Menschen geworden darin! »Es mußte wohl ertragen werden!«
»Wieso: mußte?« Gespannt rückte er den Sessel.
»Wenn du nicht kamst?«
»Dann hättest du mich doch gerufen?«
»Ich glaube nicht!«
»Doch! So wie ich, hättest du empfunden, . . . . Du! Lotte!« Heiß nahm er ihr die Hände vom Rahmen fort. »Sag doch! Du hättest es doch nicht ertragen können! Du so wenig wie ich!«
»Ich hätte dich nicht gerufen.« Sanft entzog sie ihm die Hände. Schein namenlosen Grauens fiel auf ihr Gesicht zurück. »Nicht, weil ich es ertragen hätte, . . .«
»War's denn nicht furchtbar?«
Der schwache Leib, im Ansturm seiner Worte, seiner Blicke viel zu schwach, erbebte. »Natürlich. Aber . . .«
»Aber?«
Es stand ja fest! Sie lächelte. Erhob sich, ließ sich, wie um zu prüfen, ob sie wohl nicht träume, wieder nieder. Ja! Es stand fest! Bewußtlos legte sie das zuckende Gesicht in die zuckenden Hände. »Ich meine,« hauchten die Lippen zwischen den Fingern hervor, »wenn es feststand, daß du mich nicht nur verlassen, sondern auch verraten hattest?« Im Nu darauf entschlossen das Haupt hoch emporgerissen und angstvoll: »Reden wir nicht mehr davon!«
Er wandte das Gesicht weg. Wie suchend. War hierin etwas, was nicht weggeleugnet und darum auch nicht ausgelöscht werden konnte? »Wie du willst, Lotte!« Um Gotteswillen nur jetzt nichts mehr kalt werden lassen! Einen zweiten solchen Bruch überlebten sie beide nicht! »Genau so, wie du willst! Wir machen es so:« – ganz der Alte, lächelte er – »Lotte frägt, und Hanns antwortet! Ist es recht so?«
Wenn er mir jetzt, – »Gut!« nickte sie zufrieden, sie hatte es wohl herausgehört: das klang, wie's einst geklungen hatte – wenn er mir jetzt zu Füßen fiele, so wie einst oft, wenn er das Übermaß der Liebe nicht mehr bändigen konnte, und mich erdrücken, ersticken würde mit seinen Küssen, – nicht, weil ich nach Küssen brenne, aber . . . . »Sitzest du nicht schlecht?«
»Nein! Herrlich!« In lange nicht mehr gekanntem Frieden lachte er. »Also frage, Lotte!«
»Ja!« Und fast sicher hob sich nun ihre Brust. »Zuerst aber noch: warum möchtest du davon reden?«
»Weil ich möchte, daß kein unverstandenes Stück Leben zwischen uns stünde.«
»Wenn ich es aber nicht verstünde?«
Die helle Gewißheit, daß nun sein gewordener Mensch sich ungehemmt erweisen und auswirken können werde, machte ihn vollkommen ruhig. »Du verstündest es gewiß!«
»Hast du mich angelogen? – Erschrick nur nicht!« Was für ein zärtliches Lächeln! Furchtvoll nahm sie seine Hand. »Ich meine: hast du
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