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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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begreift aber auch gar nichts!«, fuhr ihn der König an. »Ich wollte nicht, dass diese Menschen sterben!«
    Ossrok musste eine Weile nachdenken, bevor er antwortete. Er begriff tatsächlich nicht. »Majestät, verzeiht mir die Kühnheit, aber … Die Fariksratten sind keine Streicheltiere. Wie Ihr wisst, sind sie so aggressiv, dass die Bewohner des Ostens sie im Kampf einsetzen. Schon ein kleiner Biss kann tödlich sein, wenn das Tier die Krankheit in sich trägt.
Einige der Eindringlinge, deren Spuren wir auf der Insel gefunden haben, sind sicher infiziert. Und jetzt sagt Ihr mir, dass Ihr ihnen nicht den Tod wünscht?«
    »Nein, natürlich nicht«, seufzte der König bekümmert. »Die Ratten sollten sie doch nur abschrecken.«
    »Das Schicksal dieser Fremden wird anderen Eindringlingen eine Lehre sein«, sagte der Söldner. »Überlasst es meinen Männern, die Geschichte jedem zu erzählen, der sie hören will.«
    Der König nickte zögernd und entließ den Kommandanten seiner Flotte mit einer knappen Handbewegung. Sein Zorn war erschöpft. Fortan würde er mit seinen Schuldgefühlen leben müssen.
    »Majestät«, beharrte Ossrok, »was kümmern Euch diese Fremden? Sie haben eines der obersten Gesetze des Schönen Landes gebrochen. Findet Ihr nicht, dass sie die Strafe verdient haben?«
    »Die Ratten sind noch gar nichts, Ossrok. Im Grunde können die Fremden froh sein, wenn sie der Krankheit zum Opfer fallen. Denn sollten sie Usul gesehen haben und nicht daran zugrunde gegangen sein, stehen ihnen entsetzliche Qualen bevor. Ich trauere, weil ich es nicht verhindern konnte. Ich trauere aus Mitleid.«
    Kopfschüttelnd verließ der Kommandant seinen König. Die Guori waren schon ein seltsames Volk.
     
     
     
    Ich erinnere mich an die Arena im Lus’an …
    Ich hatte gerade das elfte Lebensjahr erreicht, war also bereits in der Lage, selbst zu urteilen. Jedenfalls verstand ich, dass es auf Zuïa keine Zukunft für den Bastard einer Sklavin gab.
    Eines Tages kam ein Bote, um das Urteil an meiner Mutter
zu vollstrecken - im Auftrag meines mutmaßlichen Vaters. Ich habe nichts getan, um ihn daran zu hindern. Mein Glaube an die Göttin war bereits sehr stark. Wie gesagt, ich war bereits imstande, selbst zu urteilen.
    Ich bat den Vollstrecker, mich in einen Tempel mitzunehmen. Mich trieb nur ein Wunsch: ihm zu gleichen. Ein Priester Zuïas zu werden und zu den Mächtigsten dieser Welt zu gehören.
    Damals ahnte ich noch nicht, dass ich dem Tod ins Auge blicken würde. Nicht nur dem Tod anderer, der mich ziemlich kalt ließ, versteht sich - sondern auch meinem eigenen.
    Ich blieb nur für kurze Zeit im Tempel der Novizen. Zusammen mit meinen Altersgenossen arbeitete ich auf den Feldern. Vor allem aber lernte ich, anderen zu misstrauen und Intrigen zu spinnen. So scharte ich durch freiwillige oder erzwungene Bündnisse einige leicht zu beeinflussende Jungen um mich. Eine Gabe, die mir schon immer zugute kam und ohne die ich wohl nicht mehr am Leben wäre.
    Eines Tages machten sich alle Novizen gemeinsam auf den Weg ins Lus’an. Während wir unter der sengenden Sonne voranmarschierten, beteten wir Zuïas Gesetze herunter, wie es vorgeschrieben war. Unsere Stimmen waren laut genug, um die Hufschläge der berittenen Boten zu übertönen.
    Die Reise dauerte vier Tage. Sechs Jungen starben an Erschöpfung oder verdursteten. Ihnen zu trinken zu geben, hätte ihr Leben nicht mehr gerettet. Schwach, wie sie waren, hätten sie einige Tage später unweigerlich den Tod gefunden. Es war ein gnädigeres Ende.
    Zwei weitere wollten umkehren. Doch die Grenze ins Lus’an lag schon hinter uns. Nur wer bereits Bote ist, darf das Lus’an wieder verlassen. Die beiden waren nun keine Novizen mehr und wurden von Ebenbürtigen zu Sklaven. Ich glaube, einer der beiden überlebte elf Tage.

    Ich nutzte die Zeit, um weitere Bündnisse zu schmieden. Die Leichtgläubigen machte ich mit Versprechungen gefügig, die Schwachen mit Drohungen und die übrigen mit Erpressungen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot.
    Ich stachelte die Jungen zu Konkurrenzkämpfen an und schlug mich auf die Seite der Stärkeren. Ich schmeichelte den Empfänglichen, bestach die Gierigen und schwor den Narren Freundschaft. So kam es, dass mir am Ende der Reise von den siebenundsechzig verbliebenen Novizen zwölf treu ergeben waren: meine Garde. Einundzwanzig weitere standen in meiner Schuld: meine Untertanen. Rund zwanzig andere hatten Angst davor, mir zu missfallen:

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