Götter des Meeres
Ein Dämon hätte nicht heftiger einfahren können. Mythor erstarrte. Er wollte schreien, aber nur ein heiseres Krächzen drang über seine Lippen.
Er fiel, stürzte in einen endlos scheinenden Abgrund, der sich unvermittelt vor ihm auftat. Mythor überschlug sich, verlor den Sinn für oben und unten. Nur den riesigen Schatten bemerkte er, der sich gierig herabsenkte.
Ein Blitz zuckte auf, vermochte ihn jedoch nicht mehr zu erreichen. Mit erschreckender Deutlichkeit wurde dem Sohn des Kometen bewußt, was wirklich geschah. Gorma stand neben ihm, ihre beiden Klingen schienen im Gleißen des Geflechts aufzuglühen.
»Danke«, keuchte er. Die Amazone war offenbar der Ansicht, genug für ihn getan zu haben, denn sie verzog ihre Mundwinkel zu einem verächtlichen Grinsen und wandte sich ab.
Noch im Liegen riß der Gorganer Alton aus der Scheide und durchtrennte mit einer einzigen fließenden Bewegung die nächsten Fäden, die auf ihn herabfielen. Das Gläserne Schwert ließ ein Wehklagen hören wie lange nicht mehr.
Mythor fühlte das heftiger werdende Pulsieren, das den Boden durchlief. Taumelnd kam er auf die Beine, schwang Alton mit beiden Händen und verschaffte sich auf diese Weise ein wenig Luft. Ganz verschmolz er mit seiner Waffe, wie Scida es ihn gelehrt hatte. Er achtete nicht darauf, wohin er trat, glich jede Schwankung sofort mit einer Verlagerung seines Körpers aus und legte weniger die Kraft seiner Arme in die Hiebe als vielmehr die Geschmeidigkeit jeder einzelnen Bewegung. Denn dies war kein Gegner, dessen Gefährlichkeit in seiner Stärke lag, sondern einzig und allein in seiner unüberschaubaren Übermacht.
Zerfetzte Gespinste umhüllten das Gläserne Schwert, ließen seine Schneide stumpf werden und erstickten sein Leuchten.
Verzerrt klang Keuchen an Mythors Ohr. Aus den Augenwinkeln heraus sah er Gudun und Gorma eine Bresche freischlagen. Sosona war bei ihnen. Die Hexe stand starr, hatte die Arme halb ausgebreitet und die Handflächen zur Decke erhoben. Ein fahles gelbes Leuchten ging von ihren Ringen aus, gelb - wie die Farbe des Umhangs, den sie trug. Sie blieb von den bleichen Fäden verschont.
Die Schwerter hielten reiche Ernte, und langsam kam man weiter. Allmählich wucherten die Flechten weniger dicht. Aber noch immer wirkten sie zart wie Vorhänge aus gewebtem Licht.
Scida hatte es geschafft, Kalisse von ihren Fesseln zu befreien. Auch ihre Klingen verloren an Schärfe, weil unzählige Gespinste daran hafteten.
Gerreks Kurzschwert hingegen steckte in der Scheide. Der Mandaler spie Feuer. Gelegentlich zuckten Flammen bis zur Decke empor. Was blieb, waren dicke Rußflocken, die ihn einhüllten.
Wieder zog der Tunnel sich zusammen.
»Weiter!« rief Gudun. »Bevor wir uns nicht mehr halten können.«
Ein Geräusch wie von einer zurückschnellenden Bogensehne ertönte. Scharf und einschneidend war es und wiederholte sich fast augenblicklich.
Scidas Aufschrei mischte sich in den verhallenden Klang. Die alte Amazone riß die Arme hoch und sank vornüber.
Da war es abermals.
Es kam von der Seite.
Mythor verspürte einen schmerzhaften Schlag gegen sein rechtes Bein. Als er an sich hinabsah, bemerkte er ein handtellergroßes Etwas, das am Stiefel haftete. Im nächsten Moment wurde er im Rücken getroffen und taumelte vorwärts.
Das Schwirren schien nicht enden zu wollen. Es schmerzte den Ohren und fraß sich tief in die Gedanken hinein wie die Stimme eines Dämons.
Kurz hintereinander saugten sich mehrere der fleischfarbenen Klumpen an Mythors Kleidung fest. Es war unmöglich, sie abzuschütteln. Selbst das Schwert vermochte sie nicht zu spalten.
Gorma stürzte.
»Komm!« brüllte Gudun lauthals. »Wer liegenbleibt, ist verloren.«
Kurzerhand zerrte sie Gorma hinter sich her. Auch Gerrek packte mit zu.
Was immer es war, das sie angriff, es löste sich von den Wänden und schnellte sich auf alles, was sich bewegte. Selbst Sosona war machtlos dagegen. Wie Kletten hafteten die Klumpen fest, behinderten ihre Opfer und machten sie schwerfällig.
Niemand kämpfte mehr. Auch die Amazonen mußten einsehen, daß es gegen diesen Gegner kein Bestehen gab. Ihr aller Heil lag allein in der Flucht.
Mythor wußte nicht zu sagen, welche Zeitspanne verstrichen war. Sicher nicht die Ewigkeit, die seine Sinne ihm vorgaukelten, aber genausowenig nur ein paar Augenblicke. Dumpf pochte das Blut in seinen Schläfen.
Am liebsten hätte er laut aufgeschrien, als einer der Klumpen seinen rechten
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