Götter des Meeres
Wegelagerer.«
»Sie hat mich beleidigt«, behauptete Gerrek und zeigte mit der Spitze seiner Waffe auf Scida. »Ich verlange Genugtuung.«
Die Amazone lachte.
»Du willst mich fordern? Ausgerechnet du? Lerne lieber erst, sicher auf den Beinen zu stehen.«
Mythor hielt den Mandaler mit eiserner Hand zurück.
»Wir sind nicht hier, um uns gegenseitig die Schädel zu spalten. Also benimm dich gefälligst wie ein ehrenhafter Beuteldrache.«
»Es gibt keine ehrenhaften…«, platzte Gerrek heraus. Im nächsten Moment wurde er bleich und verstummte. Heftig schüttelte er Mythors Hand von seiner Schulter.
»Sei vernünftig«, bat nun auch Kalisse, die als letzte aus dem Bann erwacht war. »Keiner weiß, was uns erwartet. Allein schon deshalb müssen wir zusammenhalten.«
»Ich bin die Ruhe selbst«, murmelte Gerrek. »Aber manche Frauen…« Eine heftige Erschütterung ließ ihn taumeln und nach einem Halt suchen. Auch die anderen blieben davon nicht verschont.
Der Boden wölbte sich auf. Ein Meer von ineinanderfließenden Farben entstand und verteilte sich langsam über die Wände.
Unter Gerreks hartem Griff brach ein Teil des vermeintlichen Mauerwerks aus. Das kam so unerwartet, daß er überrascht auf sein verlängertes Rückgrat fiel. Er vergaß sogar, lauthals zu schimpfen, starrte nur den zuckenden, schleimigen Klumpen an, der einen abscheulichen Gestank verbreitete. Dann warf er ihn angewidert von sich. Erst jetzt gewahrte er die vielen Auswüchse und Vertiefungen in den Wänden, die in unablässiger Bewegung begriffen waren.
»Nein!« kreischte Gerrek lauthals. »Ich will zurück.«
Bevor Mythor ihn daran hindern konnte, hatte er sich herumgeworfen und stürmte mit vorgehaltener Klinge auf die Stangen los. Ein erster wuchtiger Hieb spaltete ein ellenlanges Stück ab. Der Mandaler drang in das Dickicht ein, das vor ihm zurückzuweichen schien. Sein Ausruf freudiger Überraschung übertönte jedes andere Geräusch.
»Kommt!« rief Gerrek. »Ich zeige euch…« Gurgelnd brach er ab. Zu sehen war nichts mehr von ihm.
»Der Narr«, fauchte Gudun. Im nächsten Moment hatte sie alle Mühe, sich noch auf den Beinen zu halten. Abermals bäumte der Boden sich auf. Ein dumpfes, rasch lauter werdendes Grollen erfüllte die Luft.
Krachend schlugen die Stangen zusammen. Sie bogen sich zurück, bildeten eine trichterförmige Öffnung, in deren Mittelpunkt hilflos der Mandaler zappelte. Gerrek schaffte es nicht, sich zu befreien.
»Auch wenn er nur ein Mann ist, wir sollten ihm beistehen.« Kalisse traf Anstalten, dem Beuteldrachen zu helfen.
»Nein!« Gudun vertrat ihr den Weg. »Willst du dich ebenso unnütz in Gefahr begeben wie dieser Tölpel?«
Gellend kreischte Gerrek auf. Das Dickicht spie ihn förmlich aus. Für die Dauer eines bangen Herzschlags blieb er benommen liegen, dann versuchte er hochzukommen, doch ein erneutes, weitaus heftigeres Beben machte seine Bemühungen zunichte.
»Der Tunnel stürzt ein.«
Niemand vermochte später zu sagen, wer diesen Schrei ausgestoßen hatte. Alles geschah mit einer solchen Schnelligkeit, daß kaum eines Menschen Auge es aufzunehmen vermochte. Mythor sah die Wände sich vorwölben, dann stürzte er und wurde von unwiderstehlichen Kräften davongewirbelt. Eine vorübergehende Benommenheit lähmte ihn. Das Rauschen, das er wahrnahm, mochte seinen überreizten Sinnen entstammen. Die folgende Stille war dafür um so bedrückender, beinahe schmerzhaft.
Jemand verwünschte lauthals alle Dämonen Vangas. Natürlich war es Gerrek. Er suchte sein Schwert, das ihm aus der Hand gerissen worden war. Doch alles, was er fand, war das abgeschlagene Stück der einen Stange. Wütend wollte er es von sich schleudern, aber Sosona fiel ihm in den Arm.
»Zeig her!« forderte sie.
Der Mandaler zog sein Drachenmaul in Falten.
»Kannst du es mir herbeizaubern?«
»Was?«
»Mein Schwert.«
»Hast du es verloren?«
Gerreks gesunde, purpurne Gesichtsfarbe wich einem fahlen Blau. Nach Luft ringend wandte er sich ab.
Langsam ließ Sosona das Holz durch ihre Finger gleiten. Ihre Lippen bewegten sich dabei in lautlosem Murmeln. Keine der Kriegerinnen wagte es, sie zu unterbrechen. Mythor, der dicht neben der Hexe stand, konnte erkennen, daß die Stange innen hohl war. Auch ihr Äußeres war nicht glatt, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte, sondern bestand aus unzähligen großen Schuppen.
»Das ist bestenfalls Teil einer Pflanze.« sagte Sosona. »Es besteht aus Horn, wie die Hufe
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