Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
Vom Netzwerk:
bei näherem Hinsehen als eine Art Hornpanzer, der mit dem Oberkörper des Mannes fest verwachsen war, und die haarigen Spinnenbeine einer barbusigen Schönheit wirkten erschreckend beweglich und vermochten, den Körper der Chimäre offenbar mit Leichtigkeit zu tragen. Dazu gab es einen Vogelmenschen, dem seine weißen Schwingen und die zarten Gesichtszüge ein fast engelhaftes Aussehen verliehen, und einen Echsenmann mit grüner Haut und hervorquellenden gelben Augen.
    Aber selbst jene, die völlig ohne animalische Attribute auskamen, waren auffällig gekleidet und strahlten eine schwer zu beschreibende Aura von Selbstgewissheit und mentaler Stärke aus. Die einzige Ausnahme stellte ein schmächtiger Mann im Straßenanzug dar, der sich in gebührendem Abstand zu allen anderen einen Platz in der letzten Reihe gesichert hatte. Trotz des gedämpften Lichtes im Raum trug er eine dunkle Sonnenbrille.
    Ein Gongschlag ertönte und wenig später ein zweiter, während die Saalbeleuchtung langsam heruntergedimmt wurde und schließlich ganz erlosch.
    Musik setzte ein, eine von Violinen und Bratschen getragene Melodie, in die nach und nach weitere Instrumente einfielen, wobei sich Lautstärke und Tempo stetig steigerten, bis schließlich mit dem finalen Paukenwirbel Schweinwerfer aufflammten und die Bühne in gleißend helles Licht tauchten.
    Das Bühnenbild war großartig: eine von riesigen Bäumen gesäumte Waldlichtung mit einem türkisfarbenen See im Hintergrund. Ein Boot glitt lautlos und ohne Wellen zu schlagen, heran – eine Barke ohne Segel und Ruder mit einer zierlichen Gestalt am Steuer, die in ihrer vollkommenen Reglosigkeit einer Statue ähnelte.
    Es war ein Junge von etwa zwölf Jahren, barhäuptig und in ein weißes Gewand gehüllt, das seinen Körper fast vollständig verbarg.
    Erst als das Boot am Ufer aufgesetzt hatte, löste sich seine Erstarrung. Leichtfüßig sprang der Junge von Bord und schritt – eingehüllt vom Licht der Spotscheinwerfer – vorwärts in Richtung Bühnenrand. Seine Miene blieb ausdruckslos, als er den Blick über den Zuschauerraum schweifen ließ. Eigentlich hätte ihn das grelle Schweinwerferlicht blenden müssen, doch er blinzelte nicht einmal und jene, denen er direkt ins Gesicht sah, verspürten einen seltsamen Hauch von Kälte, der nichts mit der Temperatur im Raum zu tun hatte.
    Natürlich wussten sie alle, dass die Szenerie nicht real war, nicht das Festspielhaus, nicht das Orchester, die Bühne oder die Gestalt des Jungen dort oben.
    Nicht einmal sie selbst waren wirklich hier, aber das änderte nichts an ihrem Unbehagen und dem Gefühl, gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein.
    »Danke, dass ihr gekommen seid«, begann der Junge mit heller, klarer Stimme zu sprechen, die mühelos den Raum füllte. »Andererseits hätte es dieser Zumutung nicht bedurft, wenn jeder der Anwesenden stets seiner Verantwortung gerecht geworden wäre. Grenzen sind überschritten worden und Regeln verletzt, die für den Bestand der Ordnung und damit für uns alle existenziell sind. Dergleichen kann und wird nicht toleriert werden. Zudra!«
    Ein weiterer Scheinwerfer flammte auf und tauchte die Gestalt des Angesprochenen in grelles, weißes Licht. Die Schlange, die der Mann um den Hals trug, erwachte aus ihrer Lethargie und hob züngelnd den Kopf.
    »Ja, Administrator?«
    »Du weißt, wovon ich spreche?«
    Der Schlangenmann nickte, schien aber kaum beunruhigt.
    »Gewiss, Administrator«, erwiderte er mit ruhiger, volltönender Stimme. »Nur bin ich nicht für die Unzulänglichkeiten des Systems verantwortlich. Der Präventivangriff auf die Heriträer-Stadt erfolgte in Einklang mit den Regeln.«
    »Der Angriff möglicherweise, aber nicht der Ort, an dem er stattfand«, korrigierte ihn der Junge, ohne die Stimme zu heben. »Die Katterbach-Zone ist für Kampfhandlungen tabu. Da der Angriff auf die Stadt mit einem der dort häufigen Teilchenstürme zusammenfiel, war keinerlei Transfer in die Sicherheitssphäre möglich. Was das für die Bewohner der zerstörten Stadt bedeutete, muss ich nicht erklären.«
    Einige der Gäste, die sich bis eben noch unbeteiligt gegeben hatten, wandten sich zu dem Schlangenmann um und fixierten ihn mit unverhohlenem Interesse.
    »Aber es war ein Unfall, eine Verkettung unglücklicher Umstände«, suchte sich der Turbanträger zu rechtfertigen. Er wirkte nun doch etwas verunsichert.
    »Du lügst, Zudra«, stellte der Junge fest. »Weitaus schlimmer, du beleidigst

Weitere Kostenlose Bücher