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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Stahl
(hinaus in die rauschende Welt.
Und draußen ist Alles: der Tag und das Tal
und der Freund und der Feind und das Mahl im Saal
und der Mai und die Maid und der Wald und der (Gral,
und Gott ist selber vieltausendmal
an alle Straßen gestellt …
     
    Sie ist verrückt , dachte die Regentin, aber die Feststellung bereitete ihr seltsamerweise keinerlei Genugtuung. Vielmehr empfand sie angesichts des entrückten Gesichtsausdrucks ihrer Gegnerin beinahe so etwas wie Neid. Natürlich wies sie den Gedanken sofort von sich, aber ein Stachel blieb wie ein dumpfer Schmerz, der sich nicht lokalisieren ließ.
    Das Gefühl war demütigend, stachelte ihren Ehrgeiz jedoch nur weiter an, es dieser Katana heimzuzahlen. Solange sie noch nichts über die Waffe in Erfahrung gebracht hatte, waren ihr zwar die Hände gebunden, aber das würde sich ändern. Es war nur eine Frage der Zeit, und solange die Verfolger im Labyrinth festsaßen, bestand kein Grund, etwas zu überstürzen.
    Schon im Begriff, sich anderen Dingen zuzuwenden, erregte ein Geräusch, ein unterdrückter Aufschrei, ihre Aufmerksamkeit. Rasch vergrößerte sie den Bildausschnitt und sah, dass der Waffenmeister blass geworden war und verständnislos auf das Blut in seiner Handfläche starrte. Es stammte aus einer Schnittwunde zwischen Hals und Nacken, die er bis dahin wohl gar nicht bemerkt hatte. Offenbar hatte Tiangou ihn im Fallen doch noch mit einer seiner messerscharfen Krallen verletzt.
    »Braver Hund«, murmelte die Regentin und lächelte beinahe gerührt.
    Zwar war die Wunde nicht tödlich, und die Dunkelhaarige nestelte auch schon an einem Medpack, um die Blutung zu stillen, aber wenigstens hatte sie den Cybull nicht umsonst geopfert. Der Feind war angeschlagen, und die Sorge hatte das Lächeln vom Gesicht ihrer Kontrahentin gewischt. Mehr durfte sie in Anbetracht der Umstände kaum erwarten. Vorteil Weiß …
    Dennoch durfte sie die Dinge nicht auf sich beruhen lassen. Solange nicht geklärt war, was es mit dem Eindringling auf sich hatte, war das Labyrinth nicht sicher. Da sie selbst nicht einmal den Ansatz einer Erklärung hatte, musste sie wohl Narduk zurate ziehen.
    Natürlich würde sie ihn nicht direkt um Unterstützung bitten; das hatte die Regentin noch nie getan. Vielmehr würde sie den Vorfall beiläufig erwähnen, gefolgt von einem Nachsatz wie: »Das ist doch merkwürdig, oder?«, der seinen Ehrgeiz herausforderte, ohne sie zur Bittstellerin zu degradieren.
    Derlei taktische Finessen dienten nicht etwa der Befriedigung ihrer Eitelkeit, sondern dem Status quo ihrer Beziehung, die darauf basierte, dass sie der gewährende Teil war und blieb. Diese Abhängigkeit konnte nur Bestand haben, wenn Narduk jederzeit damit rechnen musste, dass sie ihn zum Teufel schickte oder – schlimmer noch – zu seinen körper- und bedürfnislosen Vettern. Folglich musste die Regentin stets den Eindruck erwecken, dass sie Narduks Unterstützung bei der Verfolgung ihrer Pläne zwar zu schätzen wusste, aber notfalls auch darauf verzichten konnte, wenn sie seiner überdrüssig war.
    Der zweite, ebenso wichtige Aspekt ihrer Beziehung war die Aufrechterhaltung der Fiktion, dass sie ihm genauso verfallen war wie er ihr. Das war ihr als junges Mädchen schon allein deshalb leichtgefallen, weil Narduk im Gegensatz zu den Tölpeln ihres Umfeldes ein geschickter und ausdauernder Liebhaber gewesen war. Damals hatte sie sich bedenkenlos fallen lassen und war nicht selten erst wieder zu Verstand gekommen, wenn er bereits seiner Wege gegangen war. Hätte es sich anders verhalten, wäre sie ihm auch niemals dorthin gefolgt …
    Die Regentin lächelte melancholisch.
    Damals war sie naiv, leidenschaftlich und zutiefst verletzt gewesen, aber das war lange her. Die Naivität war ihr schon bald abhandengekommen. Ihr Verlangen hatte sie gelernt zu kontrollieren und von Zeit zu Zeit auf unkomplizierte Weise zu befriedigen, und die Narben würde der Balsam der Rache kühlen. Das war die einzige Leidenschaft, die ihr geblieben war, und auch die einzige, für die es sich zu leben lohnte.
    Lust und Schmerz, die der Symbiont verschmelzen ließ, waren Elemente des Augenblicks, der sich zwar zu Stunden dehnen ließ, jedoch kaum länger. Kalt geplante und ausgeführte Rache hingegen war ein Genuss, der Bestand hatte, denn für die Betroffenen bedeutete der Tod nicht etwa das Ende allen Leidens, sondern erst den Beginn …
    Irgendwann würde Narduk ihr Schicksal teilen, aber nicht, solange sie

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