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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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seiner Dienste noch bedurfte. Was er dafür bekam, war wenig genug – ein paar Stunden schweißtreibender Schauspielkunst, die ihr kaum wehtaten, solange sie die Vergangenheit ruhen ließ und sich auf das Spiel ihrer Muskeln und Nerven konzentrierte. Es war erniedrigend, natürlich, doch sie hatte schlimmere Demütigungen erduldet und war wieder aufgestanden mit einem Lächeln, das wie eine Maske ihre Gefühle verbarg.
    Nach einem letzten prüfenden Blick auf das Kamerabild schaltete die Regentin die Projektion ab. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, noch ein wenig zu ruhen, aber im Moment war alle Müdigkeit verflogen. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf – Bilder und Erinnerungen, aufgewirbelt wie von einem plötzlichen Windstoß. Dagegen half nur die Rückkehr in den Alltag mit seinen Verpflichtungen und Ritualen.
    Die Regentin richtete ihr Gewand und trat durch die Tür, die direkt in ihr Ankleidezimmer führte, das für das Personal tabu war. Kaum hatte sie den Durchgang passiert, gerann die Luft hinter ihr zu einer silbrigen Substanz, die sich innerhalb von Sekunden verfestigte und Form annahm, bis schließlich anstelle der Tür ein holzgerahmter, mannshoher Spiegel zu sehen war. Die Regentin musterte ihr Spiegelbild aufmerksam, fand jedoch nichts auszusetzen – ganz im Gegenteil: Sie sah besser und vor allem jünger aus, als sie sich fühlte. Also trug sie nur ein wenig Puder auf, verrieb einen Tropfen Parfüm auf ihrem Dekolleté und bedauerte es fast, dass kein Außentermin anstand.
    Sie mochte die hungrigen Blicke der Wiederbelebten, die zwar nicht wagten, sie direkt anzusehen, ihre Natur aber dennoch nicht verleugnen konnten. Ihr Geruch erinnerte die Regentin an Tiere, die sie einst gejagt hatte, und ihre von Furcht gebändigte Gier empfand sie manchmal sogar als anregend. Bislang hatte sie allerdings der Versuchung widerstanden, ihre Männlichkeit auf die Probe zu stellen – weniger aus Loyalität Narduk gegenüber als aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen. Eskapaden dieser Art lohnten den Aufwand nicht und untergruben außerdem ihre Autorität, die nicht zuletzt auf Distanz beruhte. Aber die Frage stellte sich im Moment ohnehin nicht.
    Die Wachtposten salutierten, als die Regentin ihre Gemächer verließ, und folgten ihr in respektvollem Abstand zum kleinen Audienzsaal. Sie bedurfte zwar keiner Begleitung, empfand ihre unaufdringliche Präsenz aber als angenehm. Der Palast war ein Ort, an dem man sich allein schnell verloren fühlte …
    Der vor dem Eingang postierte Wächter riss die Tür vor ihr auf und verneigte sich, als sie eintrat.
    Keo, ihre Hofmeisterin, und die beiden Offiziere, die sie zum Rapport einbestellt hatte, waren bereits vor Ort. Obwohl ausreichend Sitzgelegenheiten vorhanden waren, hatten die Männer es vorgezogen, im Stehen zu warten.
    Die Regentin begrüßte die Anwesenden mit einem Kopfnicken und bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Zögernd folgten die Militärs der Aufforderung; die Anspannung war ihnen deutlich anzumerken. Keo dagegen war die Ruhe selbst. Ihr von feinen Runzeln durchzogenes Gesicht wirkte so ausdruckslos wie das eines Pokerspielers.
    Wer die ehemalige Königin von Lan Chang nicht kannte, hätte sie leicht für eine harmlose, schon ein wenig hinfällige ältere Dame halten können. Doch Keo Phimphan verfügte nicht nur über einen messerscharfen Verstand, sondern war auch völlig skrupellos und eine Meisterin der höfischen Intrige. Einst als strahlende Schönheit gepriesen, hatte sie ihren Körper ebenso zielbewusst eingesetzt wie später die Waffen gedungener Mörder. Drei amtierende Könige und Dutzende höherer Würdenträger waren ihren Intrigen zum Opfer gefallen, bevor sie schließlich selbst den Thron bestiegen hatte, an dem sie sich allerdings nicht lange erfreuen durfte.
    Die Regentin wusste, dass Keo sie aus tiefster Seele hasste, aber das hatte sie bewusst in Kauf genommen, als sie die Exkönigin seinerzeit in ihrem alten, verbrauchten Körper wiedererweckt hatte. Das hatte sie natürlich nicht getan, um ihre zukünftige Hofmeisterin zu demütigen, sondern um sich ihrer Loyalität zu versichern. Die Keo zugedachte Belohnung hatte die Regentin nicht ohne Grund an den Erfolg ihrer Pläne gebunden. Anstelle eines Treueschwures, den sie ohnehin bei erstbester Gelegenheit gebrochen hätte, erinnerte nun der Blick in den Spiegel Keo tagtäglich daran, dass der Weg zurück zu Jugend und Schönheit ausschließlich über strikten Gehorsam und aufopfernde

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