Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
Durcheinander.
»Kommst du, Onkel Igor?«, rief jemand, ein Mädchen, ungeduldig.
»Kscht, raus hier, du Teufelsbraten! Ich bin gleich bei euch … Sorry, Colonel, aber ich muss wohl Schluss machen.« Der bärtige Mann lächelte verlegen, aber seine Miene hatte sich entspannt. »Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mannschaft Erfolg und eine glückliche Heimkehr.«
»Danke, Mr. Stoltschev, und grüßen Sie die Kinder von uns.«
»Die werden Augen machen, wenn sie erfahren, mit wem ich gerade gesprochen habe. Alles Gute, Colonel.«
»Für Sie auch, Bürgermeister«, erwiderte Raymond Farr und unterbrach die Verbindung. Schade , dachte er, als das Monitorbild verblasste. Gerade jetzt, wo es interessant wurde …
»Pater Markus«, wandte er sich unvermittelt an den Ordensmann, der sich seit Beginn des Anflugs auf Joyous Gard zu ihnen gesellt hatte. »Haben Sie schon einmal etwas von diesen Outmates gehört?«
»Nur dem Namen nach«, erwiderte der Priester, ohne die Stimme zu heben. Dennoch wirkte er auf Farr weniger apathisch und in sich gekehrt als zu Beginn der Überfahrt. »Es gibt wohl vereinzelt Hinweise auf angebliche Begegnungen, die aber ausschließlich auf Hörensagen beruhen. Kontakte mit Ordensbrüdern sind nicht bekannt.«
»Danke, Pater.« Der Kommandant nickte Markus freundlich zu und hakte noch einmal nach: »Die Frage geht natürlich auch an alle anderen. Es könnte wichtig sein.«
Erwartungsgemäß blieben Wortmeldungen aus, bis zu Farrs Überraschung ausgerechnet Fledermausohr die Hand hob.
»Ja, Mrs. Latimer?«
»Muss nichts damit zu tun haben, Commander, aber in den Tombs gab’s mal jemanden, den se so nannten, weil er angeblich von draußen kam. Is aber ne ziemlich üble Geschichte, die ich hier nich breittreten will …«
»Also dann später in meinem Büro.« Laylas Andeutungen klangen zwar eher nach einer Räuberpistole aus ihrer bewegten Jugend, trotzdem würde er sich die Geschichte anhören. Das Mädchen war immer für eine Überraschung gut …
Inzwischen hatte sich die Hemera der Installation so weit genähert, dass die Lichtskulptur mit bloßem Auge erkennbar war. Da das Schiff jedoch weder Fenster noch Bullaugen besaß, aktivierte Fisher II auf einen Wink des Kommandanten hin den Panoramamodus, der die leicht gewölbte Monitorwand in eine einzige Projektionsfläche verwandelte.
Der Effekt war überwältigend, als wäre die Wand vor ihnen plötzlich durchsichtig geworden und sie blickten aus einer gläsernen Kanzel direkt nach draußen. Natürlich wusste Farr, dass sie in Wirklichkeit Kamerabilder sahen, doch die Illusion des freien Blickes war so überzeugend, dass er gar nicht erst versuchte, sich ihr zu entziehen.
Zwar hatten sie das Monument schon einige Zeit im Blickfeld gehabt, aber seine tatsächliche Größe offenbarte sich ihnen erst jetzt, als sie es in einer Entfernung von nur wenigen Dutzend Meilen passierten. Es war ein Anblick, der Stille gebot, und so hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören in diesen Minuten, in denen jeder an Bord der Hemera seinen eigenen Gedanken nachhing, ohne den Blick jedoch auch nur für einen Moment von der langsam vorbeiziehenden Lichtgestalt zu lösen.
Das Gefühl der Verlorenheit, das Farr zunächst empfunden hatte, verging und machte tiefer Dankbarkeit Platz, nicht nur dem Jungen und all den anderen Freiwilligen gegenüber, die der eigenen Furcht und dem Feind widerstanden hatten. Sie galt den unbekannten Schöpfern des Kunstwerks ebenso wie jenen, die bis heute hierher kamen, um Kerzen anzuzünden und der siegreichen Armada und den Opfern des Krieges ihre Referenz zu erweisen.
Für die Mannschaft war Joyous Gard Geschichte, selbst für Roberta, die damals noch aufs Militärcollege gegangen war. Sie konnten die Bilder nicht sehen, die Farr unwillkürlich vor Augen traten, wenn er die Erinnerung zuließ. Er glaubte allerdings nicht, dass ihnen das bewusst war, dafür war ihre Aufmerksamkeit zu sehr in dem gebunden, was sie selbst wahrnahmen und empfanden.
Der Kommandant bereute seine Entscheidung nicht, den Zeitverlust für die Passage in Kauf zu nehmen. Die Erinnerung an diesen Ort war etwas, woran sie sich festhalten konnten, wenn das Licht fern war und der Feind übermächtig …
»Entschuldigung, Commander«, brach Fisher II in diesem Moment das Schweigen. »Aber es ist vielleicht wichtig.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mr. Fisher. Was gibt’s?«
»Die Amesha ist vom Radarschirm verschwunden und lässt sich
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