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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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könne. Sie kontrollierte beinahe jeden seiner Schritte, was Ben trotz seiner fünfzehn Jahre fast gleichmütig hinnahm. Er kannte es nicht anders.
    Der Junge dachte an den Fremden und schüttelte den Kopf. Möglicherweise hatte etwas von dieser ständigen Furcht inzwischen auf ihn abgefärbt.
    Es nieselte. Der Regen schluckte das Licht der Laternen und ließ den Parkplatz düster und unheimlich wirken. Ben zog sich seine Baseballmütze tief ins Gesicht und stellte den Wagen neben sein Fahrrad. Während er seine Einkäufe in die Gepäcktasche legte, streifte sein Blick die Reklame für den neuen „Draco Firebird“-Comic. „Jetzt downloaden!“ stand in grellroten Buchstaben unter der dreidimensionalen Abbildung eines Wesens mit schuppiger Haut und Drachenflügeln.
    Ben lächelte. Genau das würde er tun, sobald er zu Hause ankam. Draco war so cool! Stark, schnell und furchtlos, all das, was Ben selbst gern sein wollte. Er hatte noch keine der wöchentlich erscheinenden Folgen verpasst, auch wenn sein Vater für diesen „Quark“, wie er es nannte, nicht viel übrig hatte. Sein Vater fand ihn ohnehin zu alt für Comics. Wenn es nach ihm ginge, müsste Ben den ganzen Tag Fachzeitschriften lesen oder die Klassiker der Weltliteratur: Kafka, García Márquez, Hemingway, um nur einige zu nennen. Und das tat er auch, er hatte kein Problem damit. Aber die Abenteuer von Draco liebte er, egal was sein Vater dazu meinte.
    Er zwang seinen Blick von der Reklametafel weg und ließ den Einkaufswagen per Knopfdruck zu seinem Stellplatz zurück fahren. Besser, er vergeudete keine Zeit mehr. Seine Eltern warteten sicher schon auf ihn. Nervös schaute Ben auf seinen Chronometer. Zehn vor Neun. Okay, mehr als zehn Minuten würde er für den Heimweg nicht brauchen.
    Er deaktivierte die elektronische Wegfahrsperre seines Fahrrades, dann fasste er den Lenker, um das Rad aus der Halterung zu schieben – aber es ließ sich nicht bewegen.
    Ben zerrte am Lenker. Nichts. Als er sich zu den Reifen hinunter beugte, bemerkte er, dass das Vorderrad von einer weiteren Sperre blockiert wurde.
    Was soll das?, dachte er verwirrt. Seine Finger glitten über die glatte Metalloberfläche des Gerätes, aber ihm war schnell klar, dass er mit bloßen Händen nicht viel ausrichten konnte.
    Er richtete sich auf. Sein Blick fiel zum Eingang des Supermarktes. Der unheimliche Mann war ins Freie getreten. Zielstrebig lief er auf Ben zu, die rechte Hand in der Tasche seines Ledermantels verborgen, in der linken Hand die Flasche. Sein Blick wirkte immer noch starr, doch er war nun direkt auf den Jungen gerichtet.
    Ben stellte sich nicht einen Moment lang die Frage, ob er warten sollte, was der Fremde von ihm wollte. Er riss nur die Gepäcktasche vom Fahrrad und eilte davon.
     
    •
     
    Simon Becker hatte Spätschicht heute. Und danach noch Nachtschicht. Wie er diese Doppelschichten hasste! Die waren das Schlimmste, was man jemandem zumuten konnte. Er jedenfalls war danach immer so erledigt, dass er schon beim Laufen fast einschlief. Einige Male hatte er in der U-Bahn tatsächlich seine Haltestelle verpasst.
    Sich zu beschweren, war allerdings zwecklos. Zumindest wenn er seinen Job in der Klinik noch eine Weile gegen diese verfluchten Roboter verteidigen wollte. Überall wurden diese Blechmonster inzwischen eingesetzt: nicht nur in Fabriken, sondern auch in Restaurants, Supermärkten und Schulen. Sie übernahmen jede Tätigkeit, die man ihnen halbwegs erfolgreich einprogrammieren konnte und versauten damit Leuten wie ihm die Zukunft. Bisher hatte Simon Glück gehabt, dass er noch nicht zu den zehn Millionen Arbeitslosen in Deutschland gehörte. Allerdings wurde seine Arbeit entsprechend mies bezahlt.
    Der Pfleger verzog das Gesicht, dann jedoch lächelte er. Der Grund für dieses Lächeln war seine Kollegin Isabelle. Müsste er sie auf einer Skala von eins bis zehn bewerten, er würde ihr eine glatte Hundert geben. Isa war nicht nur bildhübsch, sondern auch lebenslustig und natürlich. Ihre gute Laune wirkte ansteckend. (Und damit ließ Simon sich gern infizieren.) Ein paar Mal war er bereits mit ihr ausgegangen und er wollte das so schnell wie möglich wiederholen. Leider war seine Kollegin im Moment nicht hier. Niemand war hier.
    Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Dass er heute Nacht als einziger menschlicher Mitarbeiter auf der gesamten Station seinen Dienst versah, bereitete Simon Unbehagen. Er traute den Maschinen nicht. Wenn er mit ihnen allein war,

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