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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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schienen sie sich irgendwie zu verändern. Nicht dass sie ihn direkt bedrohten, oh nein, dazu waren die Mistkerle viel zu schlau, auch die Patienten versorgten sie mit immer gleicher Aufmerksamkeit und beständiger, distanzierter Fürsorge, aber Simon hatte das Gefühl als warteten sie nur auf eine günstige Gelegenheit, endlich mit ihm abzurechnen. Und abzurechnen gab es einiges, ja!
    Er ging den Gang entlang, die Hände in den Taschen seiner hellblauen Pflegerkleidung vergraben und versuchte, nicht daran zu denken, dass noch neun Stunden Arbeit vor ihm lagen. Ein Roboter kam auf ihn zu. Mit seinem runden Kopf, dem breiten Mund und den schwarzen Knopfaugen erinnerte die Maschine an ein überdimensioniertes und ziemlich teures Kinderspielzeug. Von solchen Äußerlichkeiten ließ Simon sich allerdings nicht täuschen. Argwöhnisch starrte er dem Roboter in sein künstliches Gesicht, suchte seinen Blick, irgendeine Reaktion, etwas, was seine Bösartigkeit verriet, aber die Maschine fuhr einfach an ihm vorbei, den Blick stur geradeaus gewandt, so als wäre er nichts als ein Hindernis, dem man ausweichen musste.
    Der Pfleger wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Er ging von Zimmer zu Zimmer, teilte Abendbrot aus, wechselte Laken und überprüfte die Bildschirme im Kontrollraum. Alles Dinge, die natürlich auch ein Roboter erledigen konnte, aber die Patienten wollten manchmal noch ein paar Worte wechseln. Und das taten sie nun mal lieber mit ihm.
    Ein Anruf unterbrach seine Gedanken. Simon lief in den kleinen Pausenraum. Es war Thea, seine Exfrau.
    „Was ist los?“, knurrte Simon. „Ich muss arbeiten.“
    Thea räusperte sich am anderen Ende. „Wir wollen übers Wochenende wegfahren und ich – also ich habe mir gedacht, bestimmt kannst du Yasmin eine Woche früher nehmen!“
    Wir , das waren seine Ex und ihr neuer Freund, ein dümmlich grinsendes Muskelpaket. King Kong, geschrumpft und ohne Fell , dachte Simon. Er hatte nie viel Sympathie für den Kerl gehegt, aber was soll’s, sie musste ja mit ihm klarkommen, nicht er!
    „Nee“, sagte er abweisend. „Ich kann nicht. Ich hab Schicht.“
    „Kannst du nicht tauschen?“
    „Nein. Lass dir was anderes einfallen!“
    „Das tust du doch nur, um mir eins auszuwischen“, stöhnte Thea. „Es ist das erste Mal, dass ich dich um etwas bitte. Nur dieses eine Mal.“
    Simon rollte mit den Augen. Er könnte jetzt aufzählen, wie oft sie die Masche mit dem ersten Mal bereits angebracht hatte, aber er hatte weder Zeit noch Nerven, das Gespräch fortzusetzen. „Nehmt sie einfach mit!“, erwiderte er. „Ich bin erst übernächstes Wochenende dran.“ Damit legte er auf.
    Er trat auf den Flur hinaus, versuchte, sich nicht über Thea aufzuregen und dimmte das Licht. Die Farbe wechselte von hellem Klinikweiß zu sanftem Grün. Die Roboter eilten geschäftig auf dem Flur umher. Simon sah ihnen nach und spuckte auf den Boden. Einer der Roboter kam sofort angefahren und wischte den Fleck auf.
     
    •
     
    Ben musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er verfolgt wurde. Die Fahrgeräusche eines Motorrollers – das zu laute Summen seines defekten Elektromotors und das Rauschen der Räder – waren direkt hinter ihm auf dem Fußweg. Dabei konnte der Fremde nicht schneller als Schritttempo fahren, sonst hätte er Ben längst eingeholt. Nervös betrachtete der Junge die Straße. Die wenigen Autos, die noch unterwegs waren, fuhren beinahe geräuschlos an ihm vorbei. Fußgänger konnte er weit und breit nicht entdecken. In den zehnstöckigen Häusern rechts und links der Straße befanden sich ausschließlich Büros, von denen bereits eine seelenlose Dunkelheit Besitz ergriffen hatte. Hier würde ihm niemand helfen.
    Was sollte er tun? Rennen? Dann würde der Fremde einfach schneller fahren und wüsste, dass er Angst hatte. Oder sollte er abwarten? Hoffen, dass seine Furcht unbegründet war und das Summen hinter ihm von selbst verstummte? Ben hatte das ungute Gefühl, dass genau das nicht passieren würde.
    Er steckte seine freie Hand in die Jackentasche und tastete nach dem winzigen Notrufgerät, das er immer bei sich trug. Er konnte nur eine einzige Nummer damit wählen: die seiner Eltern, aber das war keine Option. Denn wenn er das tat, würde seine Mutter sich furchtbar aufregen und in den nächsten Tagen keine zwei Schritte mehr von seiner Seite weichen. Außerdem – bis seine Eltern hier eintrafen, vergingen mindestens zehn Minuten! Wenn der Fremde ihn ausrauben wollte,

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