Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
hütete mich zu lachen. In seinen irren Augen lag ein Glitzern, das null Toleranz verkündete. »Das ist ja mal was Neues«, sagte ich.
»Gewöhnen Sie sich dran. Wir sind hier, um dieses chaotische Scheißland zu retten, ob es das will oder nicht. Wir sind Helden, Mr. Morgan. Eines Tages werden Sie auf unserer Siegesparade Konfetti streuen.«
17
Huddy Darko fuhr einen Hummer. Lackierung im Tarnmuster. Oliv und Schwarz. Noppenreifen für den Geländeeinsatz. Ich saß vorn. Auf der Rückbank, direkt hinter mir, saß Spode Weems, Huddys Partner. Spode war eine Huddy-Version auf dem Wege zu ihrer Vollendung. Bis auf die Augen. Sah man in diese Augen — vorausgesetzt, Spode stellte hinreichend lange ihr Irrlichtern ein —, entdeckte man die Überdrehtheit eines gereizten Kampfhundes. Er presste mir den Lauf eines großkalibrigen Revolvers in den Nacken.
»Seien Sie vorsichtig mit dem Ding, Spode«, sagte ich.
Er stieß mir den Lauf in den Nacken, so heftig, dass ich Sterne sah. »Sie haben hier gar nix zu vermelden, Mr. Morgan«, sagte er. »Ich bin vorsichtig.«
»Sei nett, Spode«, sagte Huddy. »Schließlich ist Mr. Morgan hier, um uns zu helfen, ihr Nest zu finden.«
Der Verkehr Richtung Juárez war schwach. Die mexikanischen Grenzbeamten bedachten Huddy und seinen Freund mit einem langen neugierigen Blick und winkten uns schließlich durch. Vorsorglich hatte Spode Weems seinen Revolver verschwinden lassen. Man nimmt keine Waffen mit nach Mexiko, nein, nein!
»Wir wollen zur Avenida Duranzo«, sagte Huddy. »Haben da was zu erledigen. Und wenn alles klappt, fahren wir Sie anschließend nach Hause. Alles sauber, alles fair. Wir sind keine bezahlten Kriminellen, Mr. Morgan.«
»Ihr verschleppt mich, weil ihr einen Fremdenführer braucht?«
»Nehmen Sie’s nicht persönlich, J.P. — macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie J.P. nenne, oder? Wir brauchen Ihre Ortskenntnisse, um da anzukommen, wo wir ankommen wollen. Kein großes Ding, aber es erleichtert unsere Arbeit.«
»Fahren Sie geradeaus«, sagte ich. »Biegen Sie rechts in die Diez y Seis de Septiembre ein.«
Es war heiß und grell. Das Sonnenlicht in Juárez ist nicht das Gleiche wie das Sonnenlicht in El Paso, obwohl nur achtzehn Meter hellbraunes Wasser die Städte voneinander trennen. Die Sonne von Juárez ist erbarmungslos — grausam heiß im Sommer, im Winter hingegen geizig mit ihrer Wärme. Dann ist die Luft zum Schneiden dick wegen all dem Zeug, das die Leute verbrennen, um es warm zu haben. Im Sommer liegt ein fauliger Geruch in der Luft, der von einer Kanalisation herrührt, die bereits vor fünfzig Jahren überlastet gewesen war. Das gesamte Jahr über verbrennen die Ziegeleien alte Reifen in ihren Öfen und verdüstern die Atmosphäre mit schwarzem Rauch.
»Das ist wirklich ’ne potthässliche Stadt«, sagte Huddy. »Aber sind sie das nicht alle? Wenn’s um ihre Grenzstädte geht, haben die Bohnenfresser die Hässlichkeit gepachtet.«
»Wer hat euch auf mich angesetzt?«, fragte ich.
Spode Weems’ Revolver stieß wieder gegen meine Schädelbasis. Ich spürte, wie die Mündung nervös durch meine sprichwörtlich aufgestellten Nackenhaare strich. Diese Aktion bescherte Spode einen zu großen Adrenalinstoß, als dass er sie schnell beenden würde. Ich konnte nur hoffen, dass sein Finger am Abzugsbügel war und nicht am Abzug selbst.
»Kann ich Ihnen verraten, kein Problem«, sagte Huddy. »Ich meine, ich hab nichts zu verbergen. Je offener man mit allem umgeht, desto besser. War ’n schmieriger Privatschnüffler, Hamilton Scales. Ich denke, Sie kennen ihn. Meinte, Sie wären mit beiden Seiten der Grenze so vertraut wie Scheiße mit Gestank.«
Auf den Straßen wimmelte es von Menschen. Viele kamen aus El Paso herüber, um ihren Wochenendvorrat an Tequila zu kaufen oder sich mit ihrem monatlichen Bedarf an Medikamenten einzudecken. Einer der Vorteile, in unmittelbarer Nähe der Ciudad Juárez zu wohnen, besteht darin, dass man eine Reihe pharmazeutischer Produkte ohne Rezept bekommt. Hergestellt in den USA, aber zu mexikanischen Preisen verkauft. Medizinische Versorgung ist ebenfalls günstig. Bis zu ihrem Abgleiten in die Demenz hatte meine Mutter ihre Zähne hier behandeln lassen, für einen Bruchteil dessen, was es in den Staaten gekostet hätte.
Wir fingen uns einige kritische Blicke von den transitos ein, den Verkehrspolizisten, die auf den Straßen unterwegs waren. Ein unterbezahlter, von niemandem sonderlich respektierter
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