Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
einfach ein und ging mit erhobener Waffe voran. Es war ein sogenanntes Shotgun House — Vorderzimmer, Küche, Schlafzimmer, alles in einer Reihe, mit Wänden, von denen die Farbe abblätterte, und neben dem Schlafzimmer ein Badezimmer von der Größe eines Besenschranks. Orangefarben gestrichener Betonboden. Auf einem kobaltblauen Tisch in der Küche zwei Teller. Auf den Tellern einige Essensreste — Bohnenpüree, Reis und ein paar Stücke Tortilla. Der Küchenherd, Baujahr etwa 1950, verfügte über keinen Backofen und bestand nur aus zwei elektrischen Kochplatten. Darauf stand eine gusseiserne Pfanne mit verkrusteten Resten von Bohnen. Auf dem Küchentresen, eingezwängt zwischen einem Brotkasten und einem Sack Maismehl, ein winziger Fernseher. Die Libelle war mit Alufolie umwickelt, um den Empfang zu verbessern.
Die Möblierung des Schlafzimmers erschöpfte sich in einem schmalen Bett und einer Kommode, Letztere im gleichen Blau gestrichen wie der Küchentisch. Da war ein gerahmtes Foto von einem jungen mexikanischen Paar im Hochzeitsstaat, aufgenommen auf den Stufen vor der vierhundert Jahre alten Kathedrale von Juárez. Daneben stand eine farbenfrohe Madonna aus Keramik. Aus dem Bauch der Madonna schwamm ein vielfarbiger Zwillingsfisch, aus ihrer Stirn flog ein exotischer Vogel und um ihre Füße ringelte sich eine grüne Schlange. Die Schlange hatte die Ohren eines Luchses und das helle Gesicht und die dunklen Augen einer Schleiereule. Indianische Kunst ist reich an Symbolen, die sich einem Gringo nicht erschließen, es sei denn, sein Hirn steht unter dem Einfluss einer verbotenen psychotropischen Substanz — in diesem Fall jedoch könnte ihn seine Erkenntnis vor Schreck schlagartig runterholen. In ihrer verwirrenden, schwer zugänglichen Art, die jeder naiven religiösen Kunst anhaftet, war diese Madonna beeindruckend.
»Sieh dir diesen Mist an«, sagte Spode. »Das ist Gotteslästerung.« Er zerschlug die Madonna mit dem Griff seines Revolvers.
»Das bringt Unglück, Spode«, sagte ich.
»Ein weißer Mann hat sein Glück selbst in der Hand, Arschloch«, sagte er.
Huddy trat an das Bett und stieß mit dem Knie dagegen. Über dem Kopfende hing ein Bild — Jesus auf schwarzem Samt mit dem vertrauten von Dornen umrankten Herzen auf der Brust.
Spode riss die Bettdecke weg. Das Laken darunter war fleckig. »Ich glaube, das sind Sportflecken«, sagte er. Er deutete darauf. »Hier, sieh mal! Der Cisco Kid hat Juanita seekrank gevögelt. Geile Scheiße, hier hat sie ihre Muschel entleert. Und das ist noch nicht lange her.«
»Scheint, als wären uns Bonnie und Clyde eine Stunde voraus«, bemerkte Huddy. »Was meinst du, wohin sind sie gefahren? Nach Süden? Zurück nach Norden?«
»Diese Hinterlassenschaften können von jedem stammen.« Ich deutete auf das Hochzeitsfoto. »Vielleicht von dem glücklichen Paar.«
Huddy ignorierte mich. »Was wäre wohl das nächste Ziel von so einem Pärchen?«, fragte er. »Ich meine, aus einem beschissenen Loch wie dem hier? In ein anderes beschissenes Loch? Desperados wie die fahren von einem beschissenen Loch zum nächsten, bis sie die ultimative Kläranlage gefunden haben.«
Ich zuckte mit den Achseln, aber er hatte sowieso keine Antwort erwartet. Wir gingen zurück in die Küche. An den Wänden hingen Stierkampfplakate. »Vielleicht sind sie zur Plaza de Toros gegangen, Huddy«, sagte ich.
»Was?«
»Stierkämpfe.«
»Das glauben Sie?!«, fragte er.
»Nein, das habe ich mir ausgedacht, um Sie zu verwirren.«
Ich sah den Schlag kommen und beinahe wäre es mir gelungen, ihm auszuweichen. Doch für einen so schweren Mann hatte Huddy schnelle Hände. Er traf meinen Kiefer direkt unterhalb des Ohrs. Es überraschte mich, denn er schien immer noch freundlich, wenn nicht sogar leicht amüsiert angesichts der Situation. Ich landete auf einem Knie, kam wieder hoch, riss die noch warme Eisenpfanne von der Kochplatte und warf sie mit beträchtlichem Schwung. Sie verfehlte Huddy und traf Spode an der Stirn genau in dem Moment, als er mit gezogener Waffe auf mich zukam. Spode ging zu Boden und seine unsteten Augen gönnten sich augenblicklich eine Pause. Huddy stellte sich vor Spode und attackierte mich erneut. Er schlug eine rechte Overhand, die einem George Foreman zur Ehre gereicht hätte. Ich konnte ihr nicht ausweichen. Der Treffer landete mit einer Wucht, als wäre eine Bahnschwelle zum Einsatz gekommen. Für einen Augenblick verlor ich das Bewusstsein, und als ich
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