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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Irgendetwas müsste es ausgelöst haben.»
    «Eine Umweltkatastrophe.»
    «Nie. Nie und nimmer. Davon hätten wir gehört. Die ganze Welt ist erfasst, verkabelt, verdrahtet und vernetzt, jede Hütte im Busch hat Fernsehen und Internet und eins von diesen Dinger, diesen …»
    «Hi-Speed …»
    «Genau. Wenn irgendwo etwas derart Gravierendes passiert wäre, wüssten wir es.» Erasmus schwieg für einen Augenblick, bevor er einen neuen Faden aufnahm. «Aber interessant ist das schon», sagte er versonnen und blinzelte in die Augustsonne.
    «Was ist interessant?»
    «Ein guter Detektiv, ich meine, ein normaler Detektiv wie die mit den kleinen grauen Zellen in den Romanen, würde sich fragen, wem das Ganze nützt.»
    «Und?»
    «Du solltest sehen, was die Leute tun. Im Fernsehen. Sie gehen raus auf die Straßen und Plätze und beten. Schon erstaunlich, wie viele religiöse Menschen es plötzlich gibt … oder Gläubige, ich weiß nicht. Und wie viele Verrückte. Fanatiker, die alles durcheinanderbringen, von der Offenbarung Johannes’ bis hin zu irgendwelchen Steuertricks. Also, wenn du mich fragst, wem das Ganze nützt; wenn ich mich frag: Es nützt denen, die schon immer an die unerklärlichen Dinge geglaubt haben. Und natürlich den Göttern.»
    «Es gibt keine Götter», hielt Diana sachlich fest.
    «Natürlich gibt es Götter.»
    «Die Götter sind Erfindungen der Menschen.»
    «Na gut, aber es gibt etwas Unerklärliches.»
    «Kann schon sein. Aber keine Götter.»
    «Die große Stubenfliege.»
    «Irgend so was. Von mir aus.»
    Erasmus betrachtete das trotzige Gesicht unter den lockigen Haaren. Es war ein schönes Gesicht. Kein Gesicht wie die auf Illustrierten. Ein Gesicht, das man sich auch wütend vorstellen konnte. Aber nicht zu wütend. Er liebte dieses Gesicht, auch wenn es gerade schmollte. Da er verstand, weshalb es schmollte, sagte er dem Gesicht nicht, dass er es liebte. Er fand seinen Faden wieder.
    «Je länger man sich mit den Erkenntnissen der Menschheit beschäftigt», murmelte er, «desto skeptischer wird man. Und aus dieser Skepsis, die sich auf Erfahrung und Wissen gründet, auch und gerade auf die Naturwissenschaft, erwächst der Glaube an eine höhere Macht … Ich meine ja bloß», fuhr er etwas lauter fort, «dass es keinem Menschen direkt nützt. Höchstens indirekt, wenn man den Nutzen bedenkt, den der Glaube an das Unerklärliche besitzt. Und wenn es keinem Menschen nützt, hat es auch kein Mensch verursacht, weil wir nun mal grundsätzlich nur Dinge tun, die uns nützen. Ergo ist kein Mensch für diesen Irrsinn verantwortlich.»
    «Dann eben die Natur.»
    «Vielleicht. Das wäre die logische Konsequenz.»
    «Aber dein Gefühl sagt dir, dass etwas anderes dahinterstecken muss.»
    Erasmus nickte. «Sieh dir die Unterlagen an.»
    «Ich möchte lieber glauben, dass es die Natur ist.» Diana trank einen großen Schluck Kaffee. Er schmeckte ihr nicht mehr.

4
    Durch weiße Rauchschleier deuteten diverse meterlange Holzkohlefinger vorwurfsvoll in den ansonsten eher freundlichen Nachmittagshimmel über Nordwestbritannien. Verwirrte Vögel kreisten empört kreischend über dem, was noch vor wenigen Stunden ihre Heimat gewesen war, und bombardierten die weit unter ihnen versammelte Menschengruppe mit übelriechenden Geschossen.
    Gawain wurde dünnflüssig auf den Helm getroffen und brummte «Ääääh!». Während er anschließend unter angewidertem Schnauben einen der letzten Büsche zerhackte, die das Feuer unbeschadet überstanden hatten, sah Gwydiot verzweifelt gen Himmel. Er stand zwischen den Männern des Königs und der sechsköpfigen Albtraumhorde, die den vorher grünen Wald von Camarogghyn mit Hilfe von Panzerfäusten in einen gigantischen Holzkohlegrill umfunktioniert hatte; sechs offenbar rettungslos imbezilen Kreaturen, die laubumrankte Schüsseln auf den Köpfen trugen, in laubfarbenen Gewändern steckten und sich zu allem Überfluss auch noch freiwillig
Schlamm
in die trotzigen Gesichter geschmiert hatten. Gawain ließ sein Schwert fluchend in den Busch sausen und keuchte: «Nimm das, Unkraut!»
    Gwydiot seufzte.
    «Wir sagen nichts», behauptete der Anführer der Getarnten.
    Der Magier winkte ab. Erstens war das paradox, zweitens wusste er, dass er sowieso nichts mehr hören wollte. Schon das Gespräch mit den Buchhaltern und Werbefachleuten aus den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts war schlimmer gewesen als zwanzig Orakelversuche.
    Gawain gab dem Busch den Rest,

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