Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
Vom Netzwerk:
einen Kuss auf den Hinterkopf. Die Zotteln gerieten fast unmerklich in Bewegung.
    Diana flüsterte «Aufwachen» und strich sanft über das haarige Etwas, das sich wie eine charakterlose Hauskatze in ihre Hand schmiegte. Erasmus rutschte in einen Halbschlaf, genoss das Streicheln, hob schließlich den Kopf und blinzelte Diana aus verschlafenen Augen an.
    «Guten Morgen», brummte er müde, aber sehr freundlich.
    «Guten Morgen», flüsterte Diana. «Wie wär’s mit Frühstück?»
    «Ich muss eingeschlafen sein.»
    «Ja, musst du wohl. Ist ja auch kein Wunder. Möchtest du frühstücken?»
    Erasmus nickte und tastete suchend nach seiner Brille. «Gern. Hast du gut geschlafen?»
    «Es geht so. Ich kann nicht richtig gut schlafen, wenn du nicht oben bist.»
    «Verzeihung … ich kann mich erinnern, dass ich eigentlich … raufkommen wollte, aber dann muss ich wohl eingenickt sein. Es ging immer weiter», sagte er und deutete vage auf die Bildschirme, «und ich konnte nicht aufhören.»
    «Und? Weißt du schon, was dahinterstecken könnte?»
    «Nein, keine Ahnung, oder, doch, genau genommen, Ahnung, ja, aber keine Erklärung, weil meine Ahnung eben nur eine Ahnung ist und nichts, was ich irgendwie beweisen oder wenigstens fadenscheinig belegen könnte, wenn du weißt, was ich – wo ist denn meine Brille?»
    Diana entdeckte das Metallgestell unter einigen zerknüllten Ausdrucken und reichte es ihm. Erasmus setzte es auf und sah sofort zum Verlieben aus.
    «Na schön», sagte Diana etwas lauter und richtete sich auf. «Lass uns erst mal das Frühstück auf den Tisch stellen … in der Küche, hier sind ja alle Tische besetzt. Und dann erzählst du mir, was ich verpasst habe und was für eine … Theorie du hast. Holst du die Brötchen?»
    Erasmus’ Gehirn lief noch immer nicht auf vollen Touren. Er sah Diana unverwandt an und fragte sich, weshalb sie eigentlich nicht verheiratet war. Weshalb kein Mann in den Genuss kam, Tisch und Bett mit dieser liebreizenden Morgenfee zu teilen, die sogar verschlafen hinreißend aussah und zudem auch noch intelligent, warm und nachsichtig war. Er tastete sich gerade an die Frage heran, weshalb
er
sie eigentlich nicht bat, seine Frau zu werden, als sie ihn – natürlich unbeabsichtigt – aus dem Grübeln riss.
    «Erasmus?»
    «Was? Ja!»
    «Holst du die Brötchen?»
    «Ja. Oh, ja. Sicher, natürlich.»
    «Fein.»
    Diana nickte zufrieden, verpasste ihm noch einen zarten Kuss, diesmal auf die Wange, und klatschte barfüßig an den Bücherbergen vorbei in die Küche. Für die Kaffee-Zubereitung war sie zuständig, und zwar schon seit langem. Sie hatte zweimal versucht, Erasmus’ Kaffee zu trinken. Beim ersten Mal hatte er das Pulver vergessen und beim zweiten Mal das Wasser.
     
    Zwanzig Minuten später saßen die beiden zwischen lauwarmen Brötchen, dampfendem Kaffee und einigen vorwitzigen Sonnenstrahlen am aufgeräumten Küchentisch. Erasmus lobte den Kaffee überschwänglich, bevor er Dianas bohrende Fragen nach den Vorfällen der Nacht beantwortete.
    «Also», sagte er und zersäbelte ein Brötchen, «so wie es aussieht, wird es immer schlimmer, immer und überall. Ich habe mir gestern bis kurz vor dem Einschlafen, also bis heute morgen, die ganzen Mails und Feeds angesehen, die dieses Satelliten-Hi-Speed-Horrording die ganze Zeit empfängt, ungefähr zweiundachtzig pro Sekunde, gefühlt.»
    «Die du dir nicht
alle
durchgelesen hast.»
    «Die Kopfzeilen, das war schlimm genug. Die zeigen nämlich, dass sich die Situation entwickelt. Gravierend.»
    «Inwiefern?» Diana biss ab und kaute interessiert.
    «Zuerst waren es größtenteils Meldungen über irgendwelche Vermissten, und zwar ziemlich detaillierte. Das gemeinsame Merkmal waren die Blitze. Und der Donner …»
    «Atmosphärische Störungen?»
    «Glaube ich nicht. Gut, wir kennen unsere Bermuda-Dreiecke, natürlich verschwinden manchmal Menschen und Dinge in verschobenen Magnetfeldern …»
    «Aber diesmal», sagte Diana ungläubig, «passiert das – wegen der Präzession.»
    Erasmus sah sie verwirrt an. «Äh. Denkbar …»
    «Ha! Nein! Ja!» Dianas Augen leuchteten. « 2012 ! Stimmt also doch! Alles!»
    «Äh», sagte Erasmus, erfolglos.
    Diana ließ sich nicht unterbrechen. «Sommersonnenwende! Heute! Der
Umkehrpunkt
! Und du hast bis gestern nicht an die Maya und den Polsprung und das neue Erdmagnetfeld geglaubt! Ha!»
    «Das tue ich immer noch nicht.»
    «Ha! Was?»
    «Nein.»
    «Aber das erklärt doch

Weitere Kostenlose Bücher