Götterfall
soll.«
»Scharade?« Er zog ein schlaffes Päckchen Tabak aus seiner Gesäßtasche und rollte sich eine Zigarette. »Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst.«
»Hör auf mit den Spielchen, Frankie. Du planst doch irgendetwas. Schickst Fotos und kopierte Notizen an mich, fährstnach Island, weil du irgendwie herausgefunden hast, dass ich in dieser Woche dort anwesend bin …«
»Ach, du fliegst auch dahin?«
»Wir sitzen sogar nebeneinander!«
Er ließ sein Feuerzeug aufflammen.
»Hier ist Rauchverbot«, klärte Wencke ihn auf.
»Mein Gott, was hat sich die Welt während der letzten zwanzig Jahre in einen Scheißhaufen verwandelt.« Er hielt das Feuer an das Ende seiner Selbstgedrehten und zog. Die junge Frau vom Mietwagenservice schaute vorwurfsvoll zu ihnen herüber. Die konnte ihn mal.
»Antworte mir endlich!« Alle Achtung, es gelang Wencke, sich zu beherrschen, als er ihr den Qualm provokant ins Gesicht blies. »Was hast du vor?«
»Ich bin seit ein paar Wochen ein freier Mann. Wann war ich das schon mal? Wenn du in der DDR groß geworden und fünf Jahre nach dem Ende des Arbeiter- und Bauernstaates von der ach so demokratischen BRD in den Knast gesteckt worden bist, bedeutet das auf gut Deutsch die erste Gelegenheit, die Welt ein bisschen kennenzulernen. Also fliege ich einfach mal für ein paar Tage nach Island.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter!«
»Das glaube ich dir nicht. Du wusstest doch genau, dass ich mit an Bord bin. Dass ich sogar den Sitzplatz neben dir habe.«
»So? Wusste ich das?« Er gab sich Mühe, amüsiert zu gucken, was ihm wahrscheinlich mal wieder gründlich misslang. Auf seinem Gesicht waren positive Gefühlsregungen nicht gut aufgehoben. Die letzten Jahre hatten ihm einfach die falschen Falten auf die Haut geworfen. »Wenn du es genau wissen willst: Ich hab die Reise sozusagen gewonnen.«
»Gewonnen? Quatsch! Wobei denn? Du bist doch nichtder Typ, der das Kreuzworträtsel in der Apothekenumschau löst.«
»Das Ticket lag in einem Umschlag in meiner Post. Du hast den Brief doch selbst aus meiner Wohnung geklaut.«
»Jetzt erzähl mir aber nicht, dass du auch Gast beim EU-Symposium bist?«
»Was redest du da! Als ob ich Bock hätte, mit irgendwelchen Lackaffen zu verreisen. Nein, ich habe keine Ahnung, von wem das Ticket bezahlt wurde.« Das stimmte sogar.
»Und dann sitzen ausgerechnet wir beide nebeneinander?«
»Zufall!«
»Du findest ein Flugticket in deiner Post und bist kein bisschen skeptisch? Hör doch auf!«
»Wie heißt der Spruch mit dem geschenkten Gaul?«
»Ich glaube dir kein Wort! Schon als ich das Foto zum ersten Mal in den Händen hielt, war mir klar, dass du dahinterstecken musst.«
»Wovon redest du eigentlich die ganze Zeit, verdammt noch mal?«
Wencke zog etwas aus ihrem Rucksack und reichte es ihm. Ein uraltes Foto. Er erkannte Doro, die mit Kugelschreiber eingekreist war, und hätte sich am liebsten gekrümmt. Erinnerungen wie diese stechen dich direkt dahin, wo es wehtut.
Das sollte Wencke nicht bemerken, das durfte niemandem auffallen. Sein Schmerz ging nur ihn etwas an. »Man könnte doch sagen, das ist alles reiner Zufall. Oder Schicksal. Hallihallo, so sieht man sich wieder.« Er stellte pantomimisch eine überzogene Begrüßung dar, küsste links und rechts in die Luft, machte einfach ein Mordstheater, die Spießer in der Warteschlange nach Kreta guckten schon irritiert.
»Das glaubst du doch selbst nicht, Frankie!«
»Während du dich in den Jahren immerhin bis zum LKA raufgeschleimt hast und Silvie diesen alten, korrupten Sack geheiratethat, der es vorzieht, sein Gehirn auf Durchzug zu stellen, damit er sich an den ganzen Horror nicht erinnern muss, den er verzapft hat«, er zog an seiner Zigarette und seine zitternden Finger verrieten leider, wie aufgewühlt er in Wirklichkeit war, »während dieser ganzen Zeit habe ich hinter Gittern gesessen. Und Doro liegt knapp zwei Meter unter der Grasnarbe. Hey, es war klar, dass das Schicksal uns noch mal zusammenführen würde, oder nicht? Das ist nur fair.«
»Welchen Horror hat Hüffart verzapft? Darf ich dich daran erinnern, dass du seinen einzigen Sohn ermordet hast?«
»Ich war das nicht, das habe ich immer gesagt!«
»Und wer steckt deiner Meinung nach dahinter?«
»Na, wer wohl!«
»Die Treuhand? Das glaubst du doch selbst nicht.« Sie tippte sich an die Stirn. »Okay, Doro hat immer darauf bestanden, dass du unschuldig bist. Sie hat behauptet, dass etwas vertuscht werden
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