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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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quoll in die Halle. Letztere schauten sich um wie ein Sondereinsatzkommando, einige trugen sogar affige Sonnenbrillen, als würden sie in einem Agententhriller mitspielen. Der seltsame Knoten aus Bodyguards und Paparazzi ließ kaum einen Blick zu, wen oder was es eigentlich in der Mitte so wichtig zu beschützen galt. Sie bewegten sich langsam auf den hinteren Schalter zu, der in der Zwischenzeit vom Bodenpersonal besetzt worden war. Check-in nach Reykjavik jetzt , blinkte auf dem Display darüber. Drei schlanke Mädels im lilafarbenen Dress der Airline bewegten sich übertrieben lächelnd auf den Tross zu. Wer flog denn da noch mit ihnen? Arschgesicht George Clooney, oder was?
    Irgendwann lockerte sich die Deckung und der Passagier wurde erkennbar. Kein Schauspieler, kein Sänger, kein Fußballstar: Da saß ein Krüppel zusammengekauert in einem Rollstuhl, geschoben von einer drallen Blondine im grauen Kostüm, die ihre Augen hinter einer divenhaften Sonnenbrille versteckte und ihren Hals mit einer mehrreihigen Perlenkette behängt hatte.
    Jetzt liefen die brennenden Ameisen an seinen Armen hinauf bis zum Hals und über das Gesicht. »Das glaub ich nicht«, stammelte er. »Verdammte Scheiße, Wencke, wenn ich gewusst hätte, dass ausgerechnet er …« Er würde gleich ausflippen, verdammt noch mal, das war zu viel! Der Anblick von Karl und Silvie Hüffart zog ihm den Boden unter den Füßen weg und er ließ sich auf die Treppenstufe sinken, direkt neben den Zigarettenstummel. Die Welt schleuderte ihn gerade komplett aus ihrer Umlaufbahn.
    »Wir fliegen alle vier nach Island«, flüsterte Wencke. »Alle sind dabei. Nur Doro fehlt. Und wenn du es nicht bist, der hier Schicksal spielt, wer verdammt noch mal ist es dann?«
    [13. Juni, 21.20 Uhr, Flug LH 2307, 11234 m über NN,
    49° 25´N, 2° 20´W]
    Ob die Sitze der Businessclass bequemer waren als die engen Bänke in der siebten Reihe? Wencke würde es nicht so bald herausfinden, denn der gesamte vordere Bereich des Airbus A319 war durch einen schweren, dunkelvioletten Samtvorhang abgesperrt worden. Karl Hüffart und Frau wollten unbehelligt reisen. Die wichtigen Bodyguards, die vorhin am Flughafen für genügend Aufsehen gesorgt hatten, saßen nicht mit im Flieger. Es würde Wencke nicht wundern, wenn die nur als Showeffekt dazugebucht worden waren. Silvie hatte den Eindruck gemacht, den großen Auftritt regelrecht zu genießen.
    Vorhin, beim Anbordgehen, hatte Wencke durch die gläserne Gangway einen weiteren Blick auf Silvie werfen können. Schlank war sie nie gewesen und heute, mit Anfang vierzig, trugen die breiten, von einem offensichtlich auf den Leib geschneiderten Kostüm verhüllten Hüften maßgeblich dazu bei, dass Silvie in Island eher nicht mit einer der dort lebenden Elfen verwechselt würde. Der ehemals so mächtige  – und nun so schmächtige  – Karl Hüffart musste vermutlich im Ehebett höllisch aufpassen, nicht aus Versehen unter seine Gattin zu rutschen, sonst wäre es aus mit ihm. Aber wahrscheinlich hatten die beiden ohnehin getrennte Schlafzimmer. Wencke hatte nie daran geglaubt, dass dieses Paar aus leidenschaftlicher Liebe zusammengefunden hatte. Aber was waren sie dann? Ex-Staatsmann und Assistentin? Oder eher Patient und Pflegerin?
    Nun saßen Wencke und Götze direkt hinter ihnen, sahen zwar nichts wegen des Vorhangs dazwischen, hörten aber beinahe jedes Wort, das im Separee gewechselt wurde.
    »Ich würde jetzt dann gern nach Hause gehen.« Diese leise, brüchige Stimme musste dem ausrangierten Spitzenpolitiker gehören.
    »Ist nicht mehr lang«, antwortete Silvie. Eine glatte Lüge, denn das Flugzeug hatte erst vor einer guten halben Stunde abgehoben und befand sich gerade mal über dem Ärmelkanal. Wencke schaute aus dem kleinen Fenster und wurde von der immer tiefer stehenden Sonne geblendet. Goldgelbes Licht spiegelte sich an einigen Stellen in der sommerlich ruhigen Nordsee.
    Götze, der so dicht neben ihr saß, dass es nur schwer zu ertragen war, schwieg seit der überraschenden Begegnung in der Check-in-Halle. Schwieg und schwitzte. Man sah ihm an, dass er die Situation kaum aushielt. Damit, dass er ihr wie versprochen während der Flugreise etwas über seine damalige politische Motivation erzählen würde, war eher nicht zu rechnen. Wäre auch keine gute Idee, denn wenn sie in der Lage waren, dem Gespräch zwischen den Eheleuten Hüffart zu lauschen, würden die beiden umgekehrt auch jedes Wort verstehen. Ob Karl Hüffart

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