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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Wencke in den letzten Tagen mehr als einmal gedacht hatte. »Sie wollen wissen, wie wir damals auf Götze kamen?«
    Wencke nickte.
    »Am darauf folgenden Nachmittag, ich schätze so gegen 18 Uhr, hatten wir erneuten Besuch. Eine junge Polizeischülerin der Akademie wollte eine Aussage machen. Sie hätte in der Nacht am Fundort der Leiche, zwischen einigen Sträuchern versteckt, einen Mann gesehen, der sich verdächtig verhalten hat. Und dieser Mann sei eindeutig ein gewisser Frank-Peter Götze gewesen.«
    »Das kann nicht sein.« Wencke schüttelte den Kopf. »Ich war doch selbst da im Schlosspark und habe gemeinsam mit Silvie den Jungen aus dem See geborgen. Da waren nur wir beide und sonst niemand. Das war ja fast das Schlimmste in dem Moment, dass wir allein auf uns gestellt waren und entscheiden mussten, was richtig oder falsch ist.«
    Er räusperte sich. »Die junge Zeugin von damals …«
    »Ja?«
    »Sie ist inzwischen mit dem verwitweten Vater des Jungen verheiratet. Ich spreche von Silvie Hüffart.« Man sah ihm an, dass er sich unwohl fühlte in seiner Haut, als er die Sache noch weiter auf den Punkt brachte, und zwar unmissverständlich: »Es war Ihre Freundin Silvie, die damals in unserem Büro auftauchte und Frank-Peter Götze zum Hauptverdächtigen machte.«
    »Ach, und was ist dann passiert?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Direkt nach dieser Aussage wurde mir der Fall von den Osnabrücker Kollegen regelrecht aus den Händen gerissen.«
    [13. Juni, 18.05 Uhr,
    Eingangshalle Flughafen Münster-Osnabrück]
    »Achtung, eine Sicherheitsdurchsage an alle Passagiere: Bitte lassen Sie kein Gepäckstück unbeaufsichtigt stehen. Attention, this is a security information …«
    Frankie verstand nur den deutschsprachigen Teil der Durchsage, der Rest war für ihn Kauderwelsch und sorgte dafür, dass er sich mal wieder wie ein Idiot fühlte. Er befand sich in der monströs großen Abfertigungshalle, in jeder Hand eine Tasche, und war unfähig, einen Schritt weiterzugehen. Er kämpfte gegen dieses beschissene Gefühl: Wenn du nämlich zwanzig Jahre im Knast gesessen hast, kommst du einfach nicht mehr mit und glaubst, dass sich die Welt in der Zeit einfach eine Nummer zu schnell gedreht hat. Was alle heil überstanden haben, bloß dir wird schwindelig und kotzübel dabei. Von hier gingen Flüge nach Mallorca, Gran Canaria, über den ganzen Globus, aber Frank-Peter Götze klebte am Boden fest.
    Dabei war der Flughafen Münster-Osnabrück wahrscheinlich ein Winzling: Alle Schalter waren auf einen Blick überschaubar und nur an zweien standen eine Handvoll Passagiere mit Kindern, Koffern und Reisefieber, die laut Anzeigetafel nach Kreta fliegen wollten.
    Neben der Treppe, die nach oben führte, sah er sie dann stehen: Wencke Tydmers. Sie winkte ihm zu, sonst hätte er sie vielleicht gar nicht erkannt. Damals war sie ihm scheißegal gewesen, irgendein Mädchen, neben Doro sowieso unsichtbar, in derErinnerung war sie ihm noch kleiner vorgekommen, als sie es nun tatsächlich war.
    »Hallo Frankie.« Sie vermied es, ihm die Hand zu geben, und es war offensichtlich, dass sie sein Äußeres abschreckend fand. Er wusste, er sah scheiße aus, mager und müde, als hätte er seit Wochen keinen Schlaf bekommen und den Sommer draußen bislang verpasst. Vielleicht verlernst du im Knast das Leben. Wenn niemand mehr sagt, jetzt ist Schlafenszeit oder jetzt ist Hofgang, bleibst du eben die ganze Zeit hellwach in der Bude hocken.
    Er streckte seine Hand fordernd aus. »Hast du mein Ticket?« Seine Adern lagen in Strängen unter seiner Haut und sie beglotzte sein Tattoo auf dem Oberarm, der Reichsadler am Galgen hängend. »Geil, oder? Im fünften oder sechsten Jahr hinter Gittern von einem Bruder gestochen, zwei Wochen Arbeit plus Blutvergiftung.«
    »Wollen wir nicht erst einen Kaffee trinken? Der Schalter ist sowieso noch geschlossen.«
    »Mein Ticket!« Er sagte das nicht unfreundlich, nur kurz vor unfreundlich. Schon das kostete ihn einiges, denn er war wahnsinnig wütend auf diese Frau. Wäre sie ihm heute Morgen begegnet, nachdem er stundenlang sein Ticket gesucht, irgendwann die fette Vermieterin aus dem Bett geschmissen und dann von diesem Besuch in seiner Wohnung erfahren hatte, er hätte Wencke Tydmers an Ort und Stelle gekillt.
    »Ja, ich habe dein Ticket, Frankie. Und keine Angst, ich werde es dir gleich aushändigen. Aber jetzt bist du mir eine Erklärung schuldig, was diese ganze Scharade hier

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