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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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extra für sie basteln, wo auf derWelt, darf die liebe Frau Tydmers sich sogar aussuchen. Sie wird nicht nein sagen können, da kannst du sicher sein.« So, wie Urbich das sagte, schien Wenckes Entscheidung tatsächlich programmiert zu sein. »Außerdem haben wir den richtigen Mann, um ihr das Ganze schmackhaft zu machen.«
    »Du meinst diesen Jarle Yngvisson?«
    »Genau der. Er hat mich vorhin angerufen. Rate mal, wer heute die Nacht mit ihm in seiner Hütte in den Bergen verbringen wird …«
    Dann zeigte er zur Tür, um deutlich zu machen, dass er das Gespräch an dieser Stelle zu beenden wünschte. Wahrscheinlich verspürte er wieder Lust auf ein Gläschen Wein.
    Silvie erhob sich. Ihre Beine waren kraftlos, als wäre sie zu Fuß hierhergelaufen. »Aber wenn ihr Wencke zu euch ins Team holen wollt, warum habt ihr dann am Gletschersee dafür gesorgt, dass sie über Bord geht?«
    »Wovon sprichst du?«
    Während Silvie berichtete, was heute am Jökulsárlón geschehen war, schob Urbich sie fast aus dem Zimmer. Das war die Höhe, er behandelte sie wie das Allerletzte!
    »Das höre ich ehrlich gesagt zum ersten Mal, liebe Silvie. Und glaube mir, wir haben sehr viele Möglichkeiten, unliebsame Menschen zum Schweigen zu bringen. Aber Mord hat noch nie dazugehört, so etwas haben wir gar nicht nötig!«
    [15. Juni, 21.52 Uhr, þrihyrningsvat, Island]
    Die Wolke war schwarz und gigantisch. Vor einer Stunde, als sie mit dem Auto über die Bergkuppe gefahren waren, hatte Wencke einen ersten Blick auf den Herðubreið werfen können, einen gigantischen Tafelvulkan, der völlig autark in der Ebene stand und den man mit etwas Fantasie auch für den Rücken einesUrzeitdrachen halten könnte. Hier also sollte den Sagen nach der Sitz der Götter sein? An einem Tag wie diesem konnte man das tatsächlich für möglich halten. Das Feuer erahnte man nur als rotgelben Schimmer, eingehüllt in schwere Asche, die so undurchdringlich wirkte, als bestünde sie aus fetter, ungesponnener Wolle. In unregelmäßigen Abständen zuckten Blitze darin, hier fand gerade auf engstem Raum der Weltuntergang statt.
    Oder Ragnarök , wie das Ende der Götter in der nordischen Mythologie hieß. Davon hatte Jarle auf der langen Fahrt mit Begeisterung erzählt. Und obwohl Wencke die vielen verschiedenen Götter nach einer Weile völlig durcheinanderbrachte, war sie doch fasziniert von der Prophezeiung: Berge stürzen ein, Bäume werden entwurzelt, alle Lebenden und Toten versammeln sich und in einer dramatischen Schlacht wird alles zerstört  – um anschließend als neue Welt zu entstehen. Gut, die Faszination beruhte weniger auf dem, was er schilderte, denn eine solche Handlung fand sich auch in jedem halbwegs gut geschriebenen Fantasyroman. Nein, wirklich einzigartig war die Art, wie Jarle sprach, wie er formulierte und gestikulierte, während er seinen Geländewagen die Berge hinaufsteuerte.
    So als wäre Ragnarök eine Tatsache, beweisbar wie der Satz des Pythagoras oder Einsteins Relativitätstheorie. Jarle war Ingenieur durch und durch, aber irgendwie gelang es ihm, die mystischen Geschichten seiner Heimat damit unter einen Hut zu bekommen. Wencke hatte an seinen Lippen gehangen.
    Dann waren sie an der Hütte angekommen und Wencke hatte sich ernsthaft gefragt, ob sie heute Nacht hier würde schlafen können, denn das kleine Holzhaus lag bloß einen guten Kilometer vom Stausee entfernt und das Dröhnen der Wassermassen, die am Überlauf die Turbinen des Kraftwerks in Gang setzten, war allgegenwärtig. Doch inzwischen  – sie saßen gerade zusammen auf der Veranda, schauten Richtung Vulkan und tranken Kräutertee aus großen Bechern – hatte sie sich andas Geräusch gewöhnt, empfand es sogar als angenehm, ähnlich wie Meeresrauschen, nur gewaltiger.
    »Müssen wir uns Sorgen machen wegen des Herðubreið ?«, fragte Wencke, obwohl sie sich in diesem Moment so sicher fühlte wie lange nicht mehr. Das Grundstück, auf dem sich Jarles gemütlicher Zweitwohnsitz befand, lag zwischen zwei grün bemoosten Wällen wie in einem Schoß. Hinter ihnen schlummerten Islandpferde auf ihrer Koppel, vor ihnen breitete sich der Stausee über dem Hochplateau aus. Jede billige Wegwerfkamera würde an diesem Ort eine postkartenfähige Aufnahme zustande bringen, selbst wenn der Fotograf dabei die Augen geschlossen hielt.
    »Keine Sorge, auch wenn es aussieht wie direkt nebenan, sind wir weit genug vom Krater entfernt.« Er legte den Arm hinter ihren Schultern auf

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