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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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sogar wenn sie blutjung waren wie Lena Jacobi und zur Wendezeit wahrscheinlich noch gar nicht geboren.
    Sie betraten die Eingangshalle, die spartanisch gestaltet war und Silvie an Karls Parteibüro in Osnabrück erinnerte. »Die Unterkunft ist hoffentlich etwas einladender als das hier«, konnte sie sich nicht verkneifen.
    »Aber ja!« Mehr sagte der Fahrer nicht. Natürlich nicht. AlumInTerra war ein mächtiger Arbeitgeber, und wenn dieserMann der persönliche Chauffeur von Alf Urbich war, musste er sich hüten, allzu kritische Bemerkungen fallen zu lassen.
    Silvie wusste, wie unangenehm Urbich werden konnte. Deshalb war sie selbst in diesem Moment auch schrecklich nervös.
    Natürlich fürchtete sie sich vor Urbichs Reaktion auf Karls Verschwinden. Wer würde das nicht?
    Drinnen wirkte das Gebäude wesentlich größer als von außen; der Weg, den sie zurückzulegen hatten, schien endlos und führte durch eine Betriebshalle mit meterdicken Rohren an Boden und Decke, in der ohrenbetäubender Lärm herrschte und es nach geschmolzenem Metall roch. Doch vielleicht hatte Urbich auch nur Anweisung gegeben, einen riesigen Umweg zu nehmen, damit Silvie sich ein Bild davon machen konnte, welch imposantem Konzern er inzwischen vorstand. Auf Angeberei hatte Urbich sich schon immer gut verstanden.
    Nach einer Ewigkeit erreichten sie eine schwere Tür, die sich nur auf Knopfdruck öffnen ließ  – sonst hätte man dazu wahrscheinlich drei starke Männer gebraucht. Dahinter war es endlich leise, geruchsneutral und wohnlich. Urbichs Büro befand sich am Ende des Korridors und hatte silbrig schimmernde Wände, die von dunklem Mahagoni eingefasst waren. Sehr modern, sehr schick, aber das Beste war der gläserne Schreibtisch, der aus einem Guss zu sein schien. Dahinter saß Urbich.
    Noch immer ein Pitbull, fand Silvie, drahtig, kurz geschorenes Gelbblond und kleine Schweinsaugen in einem irgendwie spitzen Gesicht. Er stand auf, lief um den Glaskasten herum und begrüßte Silvie herzlicher, als sie es erwartet hatte. »Es tut mit leid, dass ich nicht selbst bei der Eröffnungsveranstaltung war, aber leider kam ein Termin dazwischen.«
    »Es war eine Katastrophe!«
    »Ach ja? War der Champagner zu warm, oder was?«
    Silvie war sprachlos. Konnte es sein, dass Urbich überhauptnicht wusste, was bei der von AlumInTerra gesponserten Veranstaltung passiert war?
    »Du siehst fabelhaft aus«, behauptete er. »Bitte setz dich doch und erzähl, was du auf dem Herzen hast!«
    Man könnte fast glauben, er hielte das, was sie verband, für Freundschaft. Doch das war es nie gewesen und würde es auch niemals sein. Das Einzige, was sie all die Jahre immer wieder einmal für wenige Stunden zusammenbrachte, war die Sorge um eine lang vergangene Geschichte, die nie – niemals – publik werden durfte. Es würde sie beide gleichermaßen ins Verderben reißen, wenn man das mal so drastisch formulieren wollte.
    Doch Urbich, der wieder auf seinem Lederstuhl Platz genommen hatte, lehnte sich zurück, allem Anschein nach völlig entspannt. »Hat deine Aufregung etwas mit diesem Anruf von Wencke Tydmers zu tun, über den du mich vor ein paar Tagen unterrichtet hast? Dieser angebliche Brief von Dorothee Mahlmann?« Er bog seine Mundwinkel nach oben, was wie eine Mischung aus väterlicher Nachsicht und Arroganz aussah.
    »Es gibt inzwischen mehrere Briefe, vier, vielleicht sogar schon fünf.«
    »Das ist absoluter Unsinn. Wenn diese Frau damals etwas notiert hätte, wäre uns das kaum entgangen, oder?«
    Das hatte Silvie sich selbst schon oft genug gefragt in den letzten Tagen. Natürlich konnte sie sich genau erinnern, wie oft und wie akribisch sie damals das Zimmer 247 durchforstet hatte! Hätte Doro ein Tagebuch oder etwas anderes in der Art geführt, es wäre Silvie mit Sicherheit in die Hände gefallen. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass Doro die Notizen aus Vorsicht stets mit sich herumgetragen hatte. Doch einmal, als sie lediglich in ein Badelaken gewickelt in die Duschräume verschwunden war, hatte Silvie die Gelegenheit genutzt und alle Klamotten durchwühlt – ohne etwas zu finden. Dabei war sie sich noch nicht einmal im Klaren gewesen, wonachgenau sie suchen sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ohnehin nicht viel gewusst, sondern einfach nur getan, was man von ihr erwartet hatte. Was die Leute um Karl Hüffart erwartet hatten.
    Heute war das anders. Heute wusste sie alles. Das hatte sie jedenfalls bislang angenommen.
    »Silvie,

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