Götterfall
Büro, und der Kaffee war nicht mal schlecht. Als ich ihn auf diese heruntergekommene Bude ansprach, blieb er lässig und sagte, er wär sowieso auf dem Sprung zurück in die Heimat,man habe ihm da einen Posten angeboten und er vermisse sowieso den dunklen Winter in Island und die Natur. Auf die Dauer sei Deutschland keine Alternative.
Er hat mir erzählt, von seiner Formel – die stammt tatsächlich von ihm! – und von dem anstehenden Verkauf des Werkes, total offen. Hoffentlich kriegt er keinen Ärger, wenn rauskommt, dass er der Freundin von Frank-Peter Götze alle möglichen Interna erzählt.
Klang erst mal ziemlich kompliziert, und ich bin noch nie so gut gewesen in Naturwissenschaften, aber dieser Jarle kann auch der dümmsten Person erklären, um was es bei seiner so wichtigen Erfindung geht: Mithilfe von Strom können verschiedene Stoffe gewonnen werden. Elektrolyse, an diesen Begriff konnte ich mich sogar noch aus der Schulzeit dunkel erinnern. In den Kreuma-Werken haben sie dieses Verfahren zur Gewinnung von Aluminium genutzt, was zwar billiger ist als mit einem chemischen Prozess, aber eben sehr viel Energie verbraucht. Jarle hat aber darüberhinaus auch mit anderen Stoffen experimentiert und ein Verfahren entdeckt, wie man Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff umwandeln und als Antrieb für Motoren nutzen kann. Wasserstoffautos also, wieder so ein Ding, was man heute als absolute Science-fiction sieht, was aber in zwanzig Jahren vielleicht schon stinknormal ist. Das bisherige Problem besteht darin, dass der Stromverbrauch bei dieser Elektrolyse viel zu hoch ist und sich das Ganze nicht rentiert. Aber da kommt jetzt wieder Jarles Heimat ins Spiel: Auf Island gibt es Energie im Überfluß durch die heiße Erde und das viele Wasser. Die könnten also dort auf dieser Insel im Nordatlantik lauter Sachen produzieren, die hier bei uns unbezahlbar wären. Und ökologisch einwandfrei, das kommt noch dazu. Jarles Formel beschäftigt sich mit einem Speicherverfahren, mit dessen Hilfe die isländische Energie sogar in einer Art Wasserstoffbatterie aufs Festland gebracht werden könnte. Weltweite Verschiffung von elektrischem Strom und Wärme als greifbares Produkt. Ist wohl unglaublich viel wert. Preiswerte und saubere Energie aus einer nie versiegenden Quelle. Das wollen alle haben.
Habe gefragt, ob sein neuer Job da auf Island was mit seiner Formel zu tun hat, aber da hat er nur gegrinst statt einer Antwort. Könnte mir denken, daß der noch stinkreich wird mit seiner Erfindung. Verdient hätte er es. Ich mag keine Bonzen, aber Leute mit Ideen und was in der Birne, die mag ich.
Jedenfalls hatten wir einen guten Draht zueinander, und irgendwann hat er eben gefragt, warum ich hier bin, ob es um diese Entführung geht. Als ich genickt habe, ist er sehr ernst geworden. Er hätte sich schon gedacht, daß einige Leute rund um die Treuhand womöglich über Leichen gehen, wenn der Deal in Gefahr ist. Zuviel Geld. Die Rede ist wohl von drei Millionen Schmierhilfe für Hüffart und Konsorten. Die würde sich Urbich nicht entgehen lassen.
Ich war baff. Hab es mir aber nicht anmerken lassen. Er dachte ja schließlich, ich wäre im Auftrag der Polizei bei ihm im Büro. Da mußte ich so tun, als ob ich längst Bescheid weiß. Doch in Wahrheit war mir übel. Dieser Jarle hat ausgesprochen, was ich mich bislang noch nicht mal zu denken getraut habe: Dass die den kleinen Jan selbst auf dem Gewissen haben. Und warum? Weil durch seinen Tod die Sache anders liegt. Sie können F. zum grausamen Mörder stempeln, da wird kein Mensch mehr nach den politischen Zielen der Entführung fragen. Urbich hat für den Verkauf der Kreuma-Werke nicht schlecht kassiert. Hätte Hüffart jetzt über die Geschäfte im Hintergrund geplaudert, um seinen Sohn wiederzubekommen, wäre nicht nur das Geld futsch gewesen, sondern auch sein Ruf, seine Karriere.
Keine Ahnung, ob dieser Jarle mitbekommen hat, wie aufgeregt ich auf einmal war. Er hat mir seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt, ich soll mich melden, falls noch Fragen aufkommen. Diese Adresse hebe ich gut auf, ich werde sie an diese Notizen heften.
Der rotblonde Typ mit T-Shirt und Jeans saß anschließend wieder im Nachtzug. Wenn ich ehrlich bin, hats mich nicht gewundert. Die verfolgen mich. Die haben Schiß, daß ich zu tief bohre und rauskriege, was wirklich passiert ist.
Daß F. nicht der Mörder war.
Sondern die.
Wollte eigentlich wieder nach Bad Iburg, aber als der
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