Im 7. Himmel (German Edition)
1 - Sehnen
Kann das der Himmel sein? Warmes Licht umgibt mich, ohne dass zu erkennen ist, woher es kommt. Ich will nichts und brauche nichts, fühle mich rundum wohl in meiner Haut und eins mit mir und meiner Welt. Für einen Augenblick genieße ich diesen schwerelosen Zustand. Dann kommen die Fragen. Wo bin ich? Was ist passiert? Ungläubig blinzele ich, denn das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist ein bitterer Geschmack auf meiner Zunge. Mir ist schwarz vor Augen geworden. Nun fühle ich mich wieder fit. Doch ich sehe nicht meine vertraute Küche, sondern einen scheinbar endlos von Licht erfüllten Raum.
»Julia Bergmann?«
Erschrocken drehe ich um und nicke bestätigend einem ziemlich durchtrainierten, weißbärtigen Herren zu, der maßgeschneiderte Designerkleidung trägt und aus dem Nichts erschienen ist.
»Du möchtest sicherlich wissen, was passiert ist, oder?«, fragt der Mann.
Ich nicke vage. Vielleicht habe ich das Essen einfach nur nicht gut vertragen.
»Das könnte man so sagen«, erklärt der Mann heiter und ich stutze. Eindeutig, das muss ein Traum sein, denn kein laut ausgesprochenes Wort hat meine Lippen verlassen.
So, als hätte der Mann auch diesen Gedanken gelesen, schmunzelt er über mich. Dann mustert er mich eingehender und im Stillen verfolge ich, was er sieht: Helle, blaue Augen, natürlich blonde halblange Haare, von der Sonne verwöhnte Haut mit niedlichen Sommersprossen, ein langer Hals, schmale Schultern, ein runder, feste Busen, ein flacher Bauch, eine schmale Taille und lange Beine, die nur von einer Narbe vom Skifahren in ihrer Perfektion gestört werden. Findet er mich attraktiv? Den Blick kenne ich von anderen Männern und nehme ihn genauso hin, wie jedes Mal, wenn ich nicht interessiert bin … mit einem Schulterzucken.
»Ich will dich gar nicht lange auf die Folter spannen, Julia. So sehr du auch Pilze liebst und sie schon zigmal gesammelt und zubereitet hast. Dieses Mal hast du dich bei einem vergriffen. Er war hochgiftig. Den Rest kannst du dir denken: Du hast ihn gegessen. Es folgten Krämpfe. Leider konnte dir keiner helfen und nun bist du tot«, erklärt er. Kurz und knapp.
Ungläubig staune ich mit welcher Ruhe dieser alte Mann einfach so die Fakten aufzählt. »Und nun?«, will ich wissen.
»Oh, das ist der schöne Teil!«, ruft der Typ und holt hinter seinem Rücken eine Art Tablet hervor, das dem heutigen iPad um Jahrzehnte voraus ist. Mit einem Blick erkenne ich mein Leben im Schnelldurchlauf. »Mmh …«, nuschelt er nachdenklich, während er meine Lebensjahre betrachtet.
Ist das nun gut, oder schlecht? Etwas verunsichert trete ich von einem Fuß auf den anderen. Im Stillen bin ich immer davon ausgegangen, dass ich direkt im Himmel landen würde. Klar habe ich auch mal geflunkert, oder einen Porno geschaut, wer denn bitte nicht?, aber dafür kann man mir doch nicht mein Ticket verwehren. Oder? Ich beginne zu zweifeln, denn die Begegnung mit dem alten Herrn dauert länger als gedacht.
»Schau mal!« Nach endlosen Minuten hält er mir das Display unter die Nase und was ich so unvorbereitet sehe, lässt mich alles um mich herum vergessen. Mir wird sofort an Stellen warm, die ich in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt habe. Mein Mund wird trocken und meine Brustwarzen werden hart.
Intuitiv greife ich nach dem Display und zoome fasziniert ins Bild. Der Himmel kann vorerst warten. Der Himmel interessiert mich nicht einmal mehr. Wer oder was ist bitteschön der Himmel?
Am New Yorker Vorort-Flughafen Newark sitzt das Fleisch gewordene Abbild meiner Männerfantasien und telefoniert.
»Du gibst es wohl nicht auf?«, lacht er über den Kommentar seines Gesprächspartners. »Als würde meine Traumfrau einfach so vom Himmel fallen.«
Er lauscht auf die Antwort und sagt dann: »Ich weiß, dass ich nicht so einfach bin, okay? Aber wer ist das schon?«
Seine wunderschöne Hand streicht mit einer frustrierenden Geste durch seine dunklen Haare und meine eigenen Finger brennen. Wie gerne möchte ich diese Geste wiederholen! Oder einfach nur seine Haut berühren! Er tut nur so relaxt. Ich sehe ihm an, dass ihn das Gespräch mehr beschäftigt, als er zugeben will.
»Oh komm schon, es muss doch noch irgendwo auf der Welt wenigstens eine attraktive, selbstbewusste, clevere Frau geben, die sich nicht nur um ihre nächste Maniküre, sondern auch um ihre Mitmenschen kümmert!«
Die Antwort scheint ihm zu gefallen.
»Na siehst du, da könnte Anni nie im Leben
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