Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
zusammengearbeitet, säße Kel längst im Gefängnis.«
»Ihr beschuldigt Henat doch nicht etwa, Eure Ermittlungen behindert zu haben?«
»Nein, selbstverständlich nicht! Wir stehen beide im Dienste dieses Landes und seiner Rechtsprechung. Doch unsere Vorgehensweisen unterscheiden sich nicht unerheblich, und das fehlende Einverständnis macht unsere Arbeit wirkungslos. Einer der schlimmsten Mörder aller Zeiten läuft nach wie vor frei herum, und ich befürchte, es wird noch weitere Verbrechen geben. Deshalb erscheint mir Euer Eingreifen unumgänglich.«
»Wozu sollte das denn gut sein?«
»Ihr sollt Henat überzeugen, mir Auskünfte zu erteilen, die er einem Richter eigentlich nicht geben will. Und ich will auch gar nicht wissen, woher er dieses Wissen hat, obwohl ich mit diesem Vorgehen gegen mein richterliches Gewissen verstoße. Kel ist ein gefährlicher Mörder. Noch wissen wir nicht, mit wem er unter einer Decke steckt, und was er eigentlich will. Sollte er nur ein Geistesgestörter sein, ist der Thron nicht wirklich in Gefahr. Ist dieser Schreiber, den wir nicht zu fassen kriegen, aber der Anführer einer Bande von Aufständischen, hat er es auf den Pharao abgesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Henat nichts davon weiß.«
»Das sind schwere Anschuldigungen, die Ihr da erhebt, Richter Gem.«
»Durchaus nicht. Ich mache mir lediglich Sorgen um die Sicherheit des Königreichs und flehe Euch an, mir dabei zu helfen, sie zu bewahren.«
Diese feierliche Erklärung ließ den Siegelbewahrer nicht unbeeindruckt.
»Da Euer Wunsch mit den Forderungen Seiner Majestät übereinstimmt, werde ich von Henat uneingeschränkte Zusammenarbeit verlangen«, versprach ihm Udja.
»Ich habe große Angst«, sagte der alte Richter leise. »Das hat es noch nie gegeben, dass jemand eine Priesterin entführt! Dieses Verbrechen werden uns die Götter nicht verzeihen.«
»Ihr solltet nicht allzu schwarzsehen und diesem Mörder vor allem nicht zu viele Kräfte zuschreiben.«
»Hat er denn nicht bereits zur Genüge bewiesen, wie viel Schaden er anzurichten vermag?«
Der Siegelbewahrer warf sich in die Brust.
»Das ist mir durchaus bewusst. Aber unser Land ist sehr sicher und hat schon schlimmere Angriffe als diesen überstanden. Wir bleiben weiterhin wachsam und werden den verbrecherischen Umtrieben dieses Schreibers über kurz oder lang ein Ende setzen.«
»Mögen Euch die Götter erhören, Udja.«
7
H enat kannte alle Geheimnisse des Königs, er war oberster Palastverwalter und Priester des Gottes Thot, außerdem Schutzherr der Schreiber und Gelehrten. Mit seinen gefährlich schwarzen Haaren und seinem forschenden Blick brachte er es fertig, dass sich jeder im Gespräch mit ihm unwohl und sofort irgendwie verdächtig fühlte.
Der erzwungene Aufenthalt in Memphis hatte ihm Gelegenheit gegeben, zwei neue Übersetzer einzustellen, die fünf Sprachen fließend beherrschten – darunter Griechisch und Persisch. Das Übersetzeramt wieder aufzubauen, das der Schreiber Kel ausgelöscht hatte, erforderte viel Zeit und Fingerspitzengefühl. Deshalb traf Henat auch keine Entscheidung ohne die ausdrückliche Zustimmung von Pharao Amasis. Nur ganz allmählich kehrte das Amt, das entscheidend war für die ägyptischen Beziehungen zu seinen Nachbarländern, zu seiner früheren Stärke zurück. Die Übersetzer übertrugen die Schreiben aus dem Ausland ins Ägyptische und antworteten den Verbündeten des Pharaos in deren eigener Sprache, weil die Hieroglyphen, der Inbegriff der göttlichen Worte, dort nicht verstanden wurden.
Verständlicherweise konnten die Übersetzer noch nicht wieder mit voller Kraft arbeiten. Aber das Amt wuchs von Tag zu Tag zahlenmäßig und an Güte, und Ägypten war nicht länger taub und stumm. Der Plan des Schreibers Kel, das Land von der Außenwelt abzuschneiden und zum Schweigen zu verdammen, war gescheitert.
Gewissenhaft und ordnungsliebend wie er war, sorgte Henat dafür, dass die Schriftstücke sich nicht ansammelten. Auf seinem Arbeitstisch lag immer nur ein einziger Vorgang, den er gründlich las und sich von vorn bis hinten einprägte. Jede noch so winzige Kleinigkeit konnte wichtig sein, und seine Arbeit erforderte die größtmögliche Gründlichkeit.
Als er sich zu dem Mittagessen begab, zu dem Siegelbewahrer Udja geladen hatte, lief Henat Menk über den Weg.
»Ihr seht mir aber sehr bedrückt aus, lieber Freund.«
»Habt Ihr noch nicht die schreckliche Neuigkeit vernommen? Die Priesterin
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