Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
stürzen, das Land und seine Gesetze! Und ihm, Richter Gem, kam die Aufgabe zu, diesen Verbrecher unschädlich zu machen.
Angesichts der neuesten Entwicklungen wollte Gem einen der wichtigsten Würdenträger des Königreichs aufsuchen, der vielleicht mehr darüber wusste.
6
U dja, der königliche Siegelbewahrer, wusste schon seit vielen Jahren nicht mehr, was Ruhe und Erholung eigentlich bedeuteten. Er war Oberarzt der angesehenen Medizinerschule von Sais und seit einiger Zeit auch damit betraut, über die Gesundheit von Pharao Amasis zu wachen; dann war er Statthalter der Hauptstadt, Aufseher über die Gerichtsschreiber, Leiter der Gefängnisverwaltung und verantwortlich für den Ausbau der Kriegsflotte, einer hervorragenden Abschreckungswaffe, auf die der König großen Wert legte.
Breitschultrig, befehlsgewohnt und voller Tatendrang, beeindruckte Udja jeden mit seiner Kraft und erledigte seine vielfältigen Aufgaben, ohne sich jemals zu beklagen. Er hatte eine eiserne Gesundheit, brauchte kaum Schlaf, verlangte von seinen Untergebenen großen Einsatz und duldete weder Faulheit noch Unfähigkeit.
Durch den vorübergehenden Umzug des königlichen Hofes nach Memphis hatte er noch mehr Arbeit, weil der Siegelbewahrer hier erst alles überprüfen und gewisse Beamte aufwecken und wieder an die Arbeit schicken wollte. Der Pharao musste sich, wann immer er wollte, in jedem seiner Paläste einrichten können – und da sollte dann alles in bester Ordnung sein.
Obwohl sich Sais zur Hauptstadt des Herrscherhauses entwickelt hatte, blieb die alte Stadt Memphis, die einst Djoser gegründet hatte, nach wie vor der Schlüssel für den Wohlstand der Zwei Länder. Udja genoss, zusammen mit dem Schatzmeister Pef, diesen Aufenthalt aber auch sehr, weil er es ihm ermöglichte, frischen Wind in die Stadtverwaltung zu bringen und so Handel, Handwerk und Landwirtschaft zu fördern.
Weil er sich sehr um die Sicherheit des Königs sorgte, hatte der Siegelbewahrer strenge Anweisungen erteilt: Jeder, der den Palast betreten wollte, wurde durchsucht, nur die besten Männer wurden als Palastwachen eingeteilt und alle drei Stunden abgelöst. Bitten um eine Audienz wurden gründlich geprüft, die Namen der Besucher vermerkt; dann führte ein Sekretär noch ein Gespräch mit ihnen, bevor man sie das Arbeitszimmer desPharaos betreten ließ. Solange Kel auf freiem Fuß war, musste ein Höchstmaß an Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden.
»Richter Gem wünscht Euch zu sprechen«, teilte ihm ein Beamter mit.
»Er soll eintreten.«
Udja erhob sich, um den Oberrichter zu empfangen.
»Ich hoffe, Ihr bringt gute Neuigkeiten.«
»Da muss ich Euch leider enttäuschen.«
»Hat dieser Kel etwa wieder etwas verbrochen?«
»Das kann ich jetzt noch nicht bestätigen, aber vielleicht ist er für die Entführung der Priesterin Nitis verantwortlich.«
»Der Schülerin von Wahibra, dem verstorbenen Hohepriester aus Sais?«
»Ja.«
»Das ist ja ungeheuerlich!«
»Soll das heißen, Ihr wisst nichts von dieser schrecklichen Geschichte?«
»Ich erfahre sie soeben von Euch. In Ägypten wird für gewöhnlich niemand entführt, und schon gar nicht eine Ritualistin. Ist das denn schon ganz sicher?«
»Nein, Siegelbewahrer, aber es ist äußerst wahrscheinlich. Die Ermittlungen haben eben erst begonnen.«
»Ah … dann bestehen also noch Zweifel.«
»Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir mehr zu der Sache sagen.«
Udja nahm eine abwehrende Haltung ein.
»Ich glaube, ich verstehe nicht recht.«
»Der König hat um enge Zusammenarbeit zwischen Henat und mir ersucht. In meinem Alter glaubt man nicht mehr an fromme Wünsche. Henat wird mir niemals alles mitteilen, was er weiß, und wenn ich es mir recht überlege, will ich ihm daraus keinen Vorwurf machen. Er muss sich um die Sicherheit unseres Landes kümmern, ich dagegen muss für die strenge Einhaltung der Gesetze sorgen. Im Falle Kel überschneiden sich aber unsere Einflussbereiche. Sollte dieser wahnsinnige Schreiber Nitis tatsächlich entführt haben, muss ich dieses Verbrechen der langen Liste seiner Vergehen hinzufügen und ihn vor allem endlich finden. Ist es nicht so, dass Henat über Wissen verfügt, das dafür unabdingbar ist?«
»Das weiß ich nicht.«
»Dann fragt ihn bitte danach.«
»Warum macht Ihr das nicht selbst?«
»Weil er mir nicht die Wahrheit sagen würde.«
»Richter Gem, mäßigt Euch bitte.«
»Ich mäßige mich, Siegelbewahrer. Hätten wir wirklich
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