Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
nicht wagen, ihn zu betreten.«
»Nordwind …«
»Es tut mir sehr leid, aber der Esel ist das Tier von Seth und darf nicht in das Heiligtum des Osiris«, erklärte Pef.
»Hoffentlich wird er uns finden«, sagte Nitis traurig.
»Wir müssen uns beeilen«, drängte Pef. »Mein Türhüter kann sie nicht mehr lange aufhalten.«
Der Minister hatte sich nicht geirrt. Und weil der Pförtner Angst hatte, geschlagen zu werden, verriet er den Eindringlingen auch gleich, dass sich die Hausbewohner in den Tempel von Sethos I. geflüchtet hatten.
Die Söldner hatten sich endlich wieder gesammelt und stürmten ihrem Anführer nach.
Vor dem Tempel trat ihnen ein Priester entgegen.
»Ihr habt kein Recht, die Ruhe dieses heiligen Ortes zu verletzen.«
»Und Ihr gewährt Verbrechern Unterschlupf«, gab der Kommandant zurück. »Liefert sie uns aus.«
»Auf keinen Fall.«
»Dann verstoßt Ihr gegen das Gesetz.«
»Ich kenne nur die Gesetze der Götter.«
Im Tempel zeigte Pef inzwischen den jungen Leuten den Weg in das Osireion, den unterirdischen Teil des Tempels, der nur für die Feier der Großen Mysterien bestimmt war. Von dort aus führte ein Gewölbegang aus dem Tempelbereich hinaus, und zwar ganz in die Nähe des Hafens.
»Mein Schiff liegt am äußersten Ende des Hafendamms. Wenn es eurem Freund gelungen ist, an Bord zu gelangen, könnt ihr Abydos vielleicht verlassen.«
»Und was wird aus Euch?«, fragte Kel besorgt.
»Mir geschieht nichts«, beruhigte ihn Pef. »Geht jetzt, die Götter mögen euch beschützen.«
Ein Blitz zerriss den Himmel, der Donner grollte, und ein warmer Regen begann in dicken Tropfen zu fallen.
Alle Priester hatten sich versammelt, um die Soldaten daran zu hindern, in den Tempelbereich einzudringen.
Pef ging zu ihnen und rief mit donnernder Stimme: »Zieht euch zurück! Ich bin der königliche Schatzmeister, und ich spreche im Namen des Pharaos.«
»Hört nicht auf ihn«, fuhr Richter Gem dazwischen und bahnte sich einen Weg durch die Reihen der Söldner. »Dieser Mann ist ein Verräter und hält Mörder versteckt.«
»Da täuschst du dich, Gem, und du verfolgst Unschuldige!«
»Kein Tempel hat das Recht, gegen das Gesetz zu verstoßen. Die Soldaten von Amasis werden jetzt an Euch vorbeigehen und sich der Verbrecher bemächtigen, die sich gegen ihn verschworen haben.«
»Ich verbiete Euch, das Heiligtum des Osiris zu entweihen!«
»Geh uns aus dem Weg, Pef!«
»Niemals!«
»Tod dem Verräter!«, schrie der Kommandant der Söldner, als sich seine Lanze in die Brust von Pef bohrte.
Der Schatzmeister ging zu Boden, die Priester ergriffen die Flucht, und die Soldaten stürmten das Gebäude.
Eine ordentliche Verhandlung wäre mir lieber gewesen, dachte sich Gem und bedauerte den unglücklichen Ausgang der Geschichte. Wenigstens war jetzt der Kopf der Verschwörerbande ausgeschaltet.
Der Regen und der Sturm waren so heftig, dass Kel und Nitis kaum vom Fleck kamen. Irgendwie erreichten sie schließlich doch noch den Hafen, wo sie Nordwind erwartete. Für einen kurzen Augenblick vergaßen sie die entfesselten Elemente und streichelten den Esel zur Begrüßung, dann eilten sie ans Ende des Hafens.
An diesem schrecklichen Tag, an dem Horus und Seth aufeinandergetroffen waren, sollte man eigentlich zu Hause bleiben, nicht schwimmen, mit keinem Schiff fahren und nicht reisen. Der Nil war wie entfesselt; gewaltige Wellen rüttelten an den Schiffen und drohten, sie zu versenken. Die Wachsoldaten verließen ihre Stellungen und suchten irgendwo Schutz vor dem Unwetter.
»Beeilt euch!«, rief Bebon ihnen zu. »Wir lassen das letzte Tau schießen und legen ab!«
»Das ist doch wahnsinnig«, entgegnete Kel. »Das Schiff geht unter, und wir ertrinken.«
»Der Esel des Gottes Seth wird uns schützen«, beruhigte ihn Nitis. »Er kennt das Geheimnis des Sturms und fürchtet ihn nicht.«
Irgendwie gelang es den Dreien, an Bord zu kommen.
»Der Seemann, der Wache halten sollte, ist geflohen«, erklärte der vollkommen durchnässte Bebon. »Wir können das Schiff nicht allein segeln.«
»Leinen los!«, entschied Nitis.
Abermals zerrissen Blitze den tintenschwarzen Himmel. Kel umklammerte sein Amulett und drückte Nitis an sich.
Von der Strömung mitgerissen und vom Sturm vor sich hergetrieben, verschwand das Schiff des ermordeten Schatzmeisters in der finsteren Nacht.
56
D ie Sonne verscheuchte die letzten Wolken. Der schreckliche Sturm hatte sich erst im Morgengrauen gelegt und
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