Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
beträchtlichen Schaden angerichtet; und auch jetzt noch blies ein ungewöhnlich starker Ostwind.
Richter Gem kam aus dem Tempel, in dem die Söldner nur Priester angetroffen hatten, und blieb vor dem Leichnam von Pef stehen. Warum war dieser vorbildliche Minister derart auf Abwege geraten?
»Begrabt ihn«, befahl der Richter den Soldaten.
Der Kommandant des Lagers würde wegen Ungehorsam bestraft, und Gem wollte einen ausführlichen Bericht an Amasis schicken.
Ein Teil des Hafendamms war bei dem Unwetter zerstört worden, sämtliche Schiffe waren schwer beschädigt.
»Zwei Schiffe sind gesunken«, berichtete ein Seemann, »und das Schiff von Schatzmeister Pef ist verschwunden.«
»Hat es jemand auslaufen sehen?«, fragte der Richter.
Schließlich wurde ein Zeuge gefunden, der sich aber noch nicht von dem nächtlichen Unwetter erholt hatte.
»Es hat ja in Strömen geregnet, deshalb konnte ich es nicht so genau erkennen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich ein Paar mit einem Esel gesehen habe, die an Bord gegangen sind. Dann hat sich das Schiff plötzlich vom Ufer losgerissen, und die starke Strömung hat es unglaublich schnell mitgerissen.«
»Bestimmt ist das Schiff untergegangen, und die Leute sind ertrunken«, meinte der Seemann.
»Das werden wir untersuchen«, entschied Richter Gem.
»Wir müssen aber mit den Aufräumungsarbeiten beginnen!«
»Bald treffen weitere Schiffe der Flusswache zur Verstärkung ein.«
»Ich will Euch ja nicht widersprechen, aber diese Nachforschungen sind meiner Meinung nach überflüssig. Selbst ein äußerst erfahrener Seemann könnte bei diesem Sturm kein Schiff steuern. Und Krokodile und Fische fressen die Leichen mit Haut und Haar.«
Henat besichtigte mehrere Tempel am Westufer des Nils, vor allem die von Ramses II. und Ramses III. – sogenannte Millionenjahrhäuser – gewaltige Bauwerke mit zahlreichen Nebengebäuden. Die Lagerhäuser, Werkstätten und Bibliotheken waren nach wie vor in Betrieb.
Vier Hausdiener waren dafür zuständig, dem königlichen Palastverwalter jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Henat unterhielt sich mit mehreren hohen Beamten und befragte sie nach ihrer Arbeitsweise und ihrem Umgang mit Schwierigkeiten.
Im Ramesseum führte er ein langes Gespräch mit dem Fachmann, der für die Herstellung von erstklassigem Papyrus verantwortlich war – dem Einzigen, der für rituelle Schriften zugelassen wurde. Dieser Handwerker lieferte seine Ware zum größten Teil an die Gottesdienerin und reiste beruflich häufig nach Karnak. Außerdem gehörte er zu den wichtigsten Leuten aus Henats Nachrichtennetz.
»Welche Ehre, Euch in Theben zu empfangen!«
»Sparen wir uns diese förmliche Begrüßung. Ich brauche klare Auskünfte.«
»Hier ist nichts los. In der Provinz ist es ruhig, die Tempel verwalten das Land zur allgemeinen Zufriedenheit, und man beschäftigt sich hauptsächlich mit der Verehrung der Götter.«
»Was weißt du über den Haushofmeister Chechonq?«
»Er ist Geistlicher und weltlicher Verwalter in einer Person und wird von Würdenträgern und Volk gleichermaßen geachtet. Auch wenn er etwas tollpatschig wirkt und dem guten Essen sehr zugeneigt ist, darf man sich nicht täuschen lassen – er ist ein fleißiger und sehr gewissenhafter Arbeiter und duldet weder Faulheit noch Unfähigkeit bei seinen Leuten. Die Gottesdienerin hat eine gute Wahl getroffen, als sie ihn zum Haushofmeister ernannte.«
»Hast du sie in letzter Zeit zu Gesicht bekommen?«
»Sie wurde schon seit zwei Monaten nicht mehr gesehen. Ihren Dienern zufolge verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand sehr schnell. Sie feiert zwar weiterhin bestimmte Rituale, verlässt aber schon lange nicht mehr den Tempel von Karnak und hält sich meistens in ihrem Palast auf.«
»Besucht Chechonq sie regelmäßig?«
»Mindestens dreimal die Woche. Er muss sich mit ihr beraten, ehe er wichtige Entscheidungen treffen darf, die die Verwaltung der Provinz betreffen. In den letzten Tagen hat sie sich allerdings geweigert, ihn zu empfangen. Nicht wenige glauben, dass sie im Sterben liegt.«
Dann hatte Chechonq also die Wahrheit gesagt. Aber Henat war vorsichtig und wollte ganz sichergehen.
»Kennst du den Arzt der Gottesdienerin?«
»Ja, er hat mich auch schon behandelt. Er ist ein angenehmer und äußerst fähiger Mann.«
»Sag ihm, dass ich krank bin, und schicke ihn in meine Gastunterkunft.«
Von Pefs schönem Schiff war nur noch ein trauriger Rest übrig. Der Nil
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