Göttergetöse
auf das Mädchen. Vielleicht ließ meine Sehkraft ja nach, oder meine Pechsträhne ließ mich in Wunschdenken verfallen. Möglicherweise waren die anderen Männer ja auch alle so glücklich verheiratet, daß sie sich nie nach hübschen Mädchen umsahen. Genauso wahrscheinlich war die Sonne heute morgen im Westen aufgegangen.
Ich duckte mich unter einem herabstoßenden Schwarm Feen hinweg und versuchte, etwas näher an das Mädchen heranzukommen, da ich ihre Spur nicht nach der Aufregung der Männer verfolgen konnte, weil sie ja kein Aufsehen erregte. Die Straße war belebt, als wäre TunFaire ein Kurort, aber die Leute knurrten sich gereizt an. Wir brauchten schlechteres Wetter, damit sie abkühlten. Ein einziger, ordentlicher Aufruhr würde genügen. Er konnte das Pulverfaß zur Explosion bringen.
Das Gesicht war unverwechselbar und häßlich wie die Morgenröte. Eierkopf Zarth überragte die Menge wie ein Turm. Ihm warf niemand auch nur einen bösen Seitenblick zu. Eierkopf war hauptberuflich Knochenbrecher, und das bedeutete, daß seine Geschäfte im Moment blühten. Er sah mich und winkte mit seiner schaufelartigen Hand. »Jo! Garrett, alter Junge! Wie hängt der Hammer?« Es ist immer gut, Eierkopf auf seiner Seite zu haben, aber er ist weder besonders schlau noch besonders scharfsinnig.
»Niedrig. Ist dir zufällig eine süße kleine Rothaarige etwa dreißig Meter weiter aufgefallen? Sie ist so klein, daß ich sie ständig aus den Augen verliere.«
Sein Grinsen vertiefte sich und zeigte die Überreste wirklich häßlicher Zahnstummel. »Hast du einen Fall?« Der kleine Heimtücker. Wahrscheinlich hoffte er, daß ich ihn engagieren würde.
»Wohl nicht. Sie hat mein Haus beobachtet, deshalb wollte ich ihr ein bißchen auf den Fersen bleiben.«
»Einfach so?«
»Ja.«
Sein Grinsen wurde zur reinsten Horrorschau. »Ist Dean zurückgekommen? Oder ist der Tote Mann aufgewacht?« Er zwinkerte Dem Gottverdammten Papagei zu.
Immerhin war er schlauer als ein Stein. »Beides.«
Eierkopf kicherte. Es war diese Art Kichern, das ich in letzter Zeit einfach zu oft gehört habe. Meine Freunde glauben, daß ich nur auf der Welt bin, um sie mit meinen Qualen zu unterhalten.
»Hör zu, Eierkopf, dieses Mädchen wird mich abhängen, wenn ich ihr nicht…«
»Wo wir gerade von Mädchen reden, die einen abhängen… Ich habe gestern Tinnie Tate gesehen.«
Tinnie ist eine von meinen Ex-Freundinnen, die meine Kumpel einfach nicht in Frieden ruhen lassen können. »Großartig. Komm später bei mir vorbei und erzähl mir alles.«
»Winger hab ich auch getroffen. Sie…«
»Die ist dein Problem.«
Unsere gemeinsame Bekannte Winger ist, obwohl eindeutig weiblich, so groß wie ich und so blöd wie Eierkopf. Und sie hat das Moralempfinden einer tollwütigen Hyäne. Trotzdem fällt es einem schwer, sie nicht zu mögen.
»Garrett, komm schon, Mann.«
Ich war in Gedanken versunken.
»Sie hatte eine gute Idee. Ehrlich, Garrett.«
Winger steckt voller guter Ideen, die mich direkt bis zum Hosenschlitz in einen Tümpel voll Krokodile befördern. »Dann zieh du sie doch mit ihr durch.« Bergauf lichtete sich die Menge etwas, und ich konnte einen Blick auf das Objekt meiner Begierde werfen. Sie sah verwirrt zurück. Oder war sie ein bißchen genervt?
»Liebend gern, Garrett«, brüllte Eierkopf, »aber wir brauchen jemanden mit Grips, der uns hilft.«
»Dann bin ich der Falsche stimmt’s?« Natürlich stimmte das. Würde ein Kerl mit Verstand einer Frau folgen, die eindeutig will, daß man ihr folgt, und die meine Langsamkeit ungeduldig machte?
Damals dachte ich, es wäre eine gute Idee. Das sagt man immer.
Ich erwog den Gedanken, ihr zuzuwinken, damit sie wußte, daß ich gleich kam. Aber dann spielte ich doch das Spielchen weiter.
Eierkopf folgte mir ein Stück und murmelte irgendwelche Nettigkeiten über meine Manieren. Ich zeigte ihm die kalte Schulter und antwortete nicht, sondern trottete hinter meiner neuen Freundin her. Es waren immer weniger Leute auf der Straße, und ich konnte die Rothaarige jetzt sehen. Sie erregte genausoviel Aufsehen wie die Alte, die einen Blick in die Gasse geworfen hatte.
Wir waren an der Stelle angekommen, an der die Macunado in die Harlekinallee übergeht. Sie sah zurück und bog in die Runengasse ein, in der die letzten fähigen Astrologen und Hellseher von TunFaire ihre Geschäfte betreiben.
5. Kapitel
»Heh, Kumpel!« rief ich einem kräftigen alten Zwerg zu, der einen
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