Göttergetöse
Wenn er so langsam weiterstieg, wir uns beeilten und mit dieser Geschwindigkeit weiterflogen, konnten wir in die Stadt zurückkommen, bevor er überhaupt aufgegangen war. Vielleicht begegneten wir uns unterwegs ja sogar. Dann könnte ich mich davor warnen, weiterzufliegen.
Ich blickte hinab. Im Verwunschenen Zirkel brodelte es wie in dem sprichwörtlichen Ameisenhaufen. Es hatte eine Menge Durchbrüche gegeben. Der, den ich gesehen hatte, war der größte gewesen. An zahlreichen Orten reichten nur ein oder zwei Tentakel durch und tasteten nach etwas, was sie sich schnappen konnten. Aber die Götter waren in Deckung gegangen. Da draußen gab es nicht mal Büsche. Wenn die Tentakel einen Felsbrocken erwischten, verwandelte irgend jemand ihn in eine Mistgabel. Die Heimgötter gewannen. Har! Die Möchtegern-Eroberer wurden zurückgetrieben. Har, har! Aber um welch einen Preis. Buh! Diese Verrücktheit würde jeden Tempel im Traumviertel dezimieren. Warte mal! Was war daran so schrecklich?
Keines dieser Ereignisse würde den Mann auf der Straße berühren. Ich glaubte zum Beispiel nicht, daß irgendwelche abgedrehten Sektenführer ihre Gläubigen davon in Kenntnis setzten, daß der gute alte Gerona, der Heilsbringer, nicht mehr war. Also mußten sie sich auch nicht darum kümmern, den Zehnten zusammenzuraffen. Wahrscheinlicher war, daß die Gläubigen jetzt Appelle hören würden, den Muttertempel in TimsNoroe oder eine weitere Mission gegen die heidnischen Venageti zu finanzieren. Und ein Heller aus jedem Silbertaler würde bestimmt auch dem eigentlichen Zweck der Stiftung zufließen.
Nicht daß die Götter sich selbst für Geld oder andere Edelmetalle interessierten.
Na! Seht euch das an. Nicht jeder Gott ist aus dem Stoff, aus dem die Helden sind. Ich war zu weit oben, um einzelne Personen erkennen zu können, aber einige Gestalten flohen eindeutig von dem Schauplatz des Schreckens. Aber war das wirklich Feigheit? Eine Gruppe von etwa zwölf Gestalten bewegte sich sehr zielstrebig in Richtung Norden. Mir schwante, daß ich einige sehr vertraute Gesichter sehen würde, wenn ich es wagte, tiefer zu gehen.
Tatsächlich…
54. Kapitel
Tatsächlich fegten zwei sehr vertraute Gestalten von rechts oben nach links hinten an mir vorbei. Sie waren zu schnell, als daß ich sie hätte erkennen können, aber ihr Kichern verriet sie. Eine flog einen Bogen und landete direkt vor mir auf dem Pferd, wo sie sich in ein halbnacktes Mädchen verwandelte. Die andere umkreiste uns und beschwerte sich.
»Ich war zuerst hier, lahme Ente. Hi, Garrett. Überrascht? Können wir uns unterhalten? Wir sind viel schlauer, als wir immer tun.«
»Ich fühle mich hier oben nicht wohl. Der erste Schritt nach unten ist Mord. Nicht daß ich dich beleidigen wollte, aber könntest du vielleicht deine Hände bei dir behalten, bis wir ein bißchen näher am Boden sind? Ich habe leider keine Herrschaft über die Schwerkraft. Wenn ich abgelenkt werde, dann lasse ich mich einfach fallen.«
Das kreisende Eulenmädchen kicherte. Die andere antwortete gereizt: »Ist er gar nicht! Er benimmt sich einfach nur wie ein Sterblicher.« Aber sie ließ mich nicht in Ruhe. »Wäre es nicht aufregend hier oben, Garrett? Ich habe noch nie woanders als auf der Erde mit Sterblichen gespielt.«
Wird eine Tussi weniger eine Tussi, weil sie behauptet, schlauer zu sein, als alle annehmen?
»Ungefähr solange, wie es dauert, bis ich die Übersicht verliere und loslasse.« Ich versuchte, die Farbe ihrer Fetzen zu erkennen. »Hör mal, Dimna, Liebling, du bist die tollste Frau, die mir jemals begegnet ist.« Wow! Und das gleich beim ersten Mal ohne zu stottern? »Aber jetzt ist nicht der richtige Moment, um dir zu zeigen, wie ernst es mir ist. Ich hasse Pferde. Und ich habe entsetzliche Höhenangst. Außerdem plagen mich schreckliche Kopfschmerzen von der ganzen Macht in dem Durcheinander da drüben, und ich habe weder gegessen noch geschlafen, seit dieser Wahnsinn angefangen hat.«
Gut. Ich habe übertrieben. Na und? Das tun wir doch alle, um nicht die Gefühle von jemandem zu verletzen. Oder um zu vermeiden, wegen einer Gedankenlosigkeit einen ungebremsten Sturzflug aus siebenhundert Metern Höhe anzutreten.
Außerdem sah sie wirklich gut aus.
Ich bin ein Schwein, ich weiß. Das hat man mir schon häufiger erzählt. Aber ich kann nichts dagegen tun. Vielleicht würde es ja helfen, wenn ich nicht immer wieder solchen Frauen begegnen würde. Oder sollte ich
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