Götterschild
nicht zu einem Chaos wie am Vortag, denn die Zinnenbesatzung war vorbereitet. Rasch und diszipliniert zogen sie sich in die Treppenabgänge und die geschützten Räume im Inneren der Mauer zurück. Zwar konnten sie von ihren Verstecken aus die Zarg nicht länger beschießen, aber wenigstens fand diesmal kein einziges Felsengeschoss ein Ziel auf der Mauerspitze. Die Flugwölfe begannen ratlos über der Festung zu kreisen. Irgendwann entschlossen sie sich dann, ihre schwere Last über den Verteidigern am Fuße der Mauern abzuwerfen. Doch dort unten waren die Soldaten weit schwieriger zu treffen und nur im Bereich des Walls, über den die Zarg einzudringen versuchten, standen die Soldaten dicht genug, dass sie ein lohnenswertes Ziel abgaben. Der Rest der Truppen, der nicht unmittelbar an den Kämpfen beim Tor beteiligt war, hielt sich auf Ardens Anweisung hin eng an die Mauer geschmiegt, wo sie weitgehend vor dem Beschuss aus der Luft geschützt waren und darauf warten konnten, bis sie beim Eingang gebraucht wurden.
Am hitzigsten tobte das Gefecht einmal mehr am Mauerdurchbruch. Auf ganzer Breite strömten die Zarg über den Wall. Die Verteidiger stellten sich den Eindringlingen erst hinter dem Steinwall und nicht bereits oben, da sie sonst ein zu leichtes Ziel für die Wurfgeschosse der Zarg abgegeben hätten. Stattdessen war am Fuß der provisorischen Mauer eine Einheit Lanzenträger postiert worden, die den herabspringenden Angreifern die scharfen Spitzen ihrer langen Waffen entgegenhielten. Zudem hatte Arden dahinter noch einen Zug Istanoitbogenschützinnen Aufstellung nehmen lassen, der die kletternden Wurzelbälger am höchsten Punkt des Walls aufs Korn nehmen konnte. Alles, was trotzdem lebendig den Boden erreichte, nahmen sich die Ecorimkämpfer und die anderen Schwertträger vor.
Es war ein grausiges Gemetzel. Zudem forderten die von den Flugwölfen notgedrungen über dem Kampfplatz abgeworfenen Steine wahllos Opfer unter Angreifern wie Verteidigern. Dennoch dauerte es diesmal nur bis zum frühen Nachmittag, bis die Zarg niedergekämpft waren. Die Verluste unter der Festungsbesatzung beliefen sich diesmal nur auf wenige Hundert, was im Vergleich zum Vortag zwar als großer Erfolg gelten durfte, jedoch angesichts der ohnehin schon viel zu geringen Zahl an Verteidigern trotzdem eine kaum mehr zu verschmerzende Schwächung darstellte.
Für den Rest des zweiten Kampftages und die ganze Nacht über blieb es ruhig, was den Belagerten endlich die Gelegenheit gab, ein wenig Schlaf zu finden. Auch die Ecorimkämpfer wurden von ihrer Erschöpfung übermannt, selbst Arton konnte sich gegen Ende des Tages nicht mehr auf den Beinen halten und fiel wie die anderen in einen ohnmachtartigen Schlummer. Die einzige Ausnahme bildete Arden. Er schien überall gleichzeitig zu sein, inspizierte, organisierte, sprach Mut zu, legte wo nötig Hand an, und das, nachdem er selbst den ganzen Tag in vorderster Front gefochten hatte. Niemand vermochte zu ermessen, woher er diese übermenschliche Ausdauer nahm – ob es Fendralin war, das ihn trieb, oder seine Schuld oder das Gefühl der Verantwortung, das ihn seit der Schlacht im Eis beseelte. Er wuchs über sich selbst hinaus, in einer Art und Weise, die er am wenigstens selbst für möglich gehalten hatte. Seine Männer blickten zu ihm auf, zu ihrem König, seine Gegenwart allein genügte, um ihre Kampfmoral zu stärken und jede Verzagtheit aus ihrem Kopf zu verbannen. Immer offener wurde davon gesprochen, dass Ecorim selbst in Gestalt seines Sohnes zurückgekehrt sei, um ihnen in dieser schweren Stunde beizustehen. Erst lange nach Mitternacht zog sich Arden in sein Zelt zurück und er war einer der Ersten, die am Morgen wieder am Tor erschienen.
Der dritte Tag der Schlacht begann mit einer höchst unangenehmen Überraschung. Statt der Zarg erschien dieses Mal ein ganzes Kontingent Citpriester in weiß-schwarzen Roben, von denen bei den bisherigen Kämpfen nicht einer in Erscheinung getreten war. In der Mitte dieser Gruppe leuchtete die gänzlich in Weiß gewandete, unverkennbar hagere Gestalt des Citarim wie ein wertvolles Juwel zwischen einer Handvoll minderer Edelsteine. Er hatte beide Hände um den Griff Themurons gelegt und trug es vor sich her, weniger wie eine Waffe als vielmehr wie ein sakrales Artefakt. Etwa eine halbe Meile vor der Festung nahmen die mindestens zwei Dutzend Götterdiener Aufstellung, mit dem Gesicht dem Eingang Arch Themurs zugewandt. Ein dumpfes
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