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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufgefressen wurden, sich die Krätze holten oder ihnen vom Skorbut die Zähne ausfielen, aber er würde sie niemals unnötig verheizen.
    Aber mit ein wenig Glück würde es gar nicht so weit kommen.
»Ist er schon da?«, fragte Andrej.
»De Castello?« Gordon schüttelte den Kopf. »Nein. Natürlich führt er die Parade an, hoch zu Ross und herausgeputzt wie ein Pfau. Wir haben noch einige Stunden Zeit. Mindestens.« Er trat auf den schmalen Balkon hinaus und legte den Kopf in den Nacken, um in den Himmel hinaufzublinzeln. Andrej hütete sich, dasselbe zu tun, schon bei der Vorstellung, in die Sonne zu sehen, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. »Vielleicht sogar mehr.« Gordon trat wieder an Andrejs Seite und ließ seinen Blick nun nachdenklich über die ausgelassene Menschenmenge zu seinen Füßen gleiten. »Die Straßen sind völlig überfüllt. Castellos kleine Protzund Prunkparade kommt nicht gut voran. Vielleicht wird es Mitternacht, bis sie hier sind.«
»Warum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihr Don de Castello nicht besonders mögt, Capitan?«, fragte Andrej.
»Weil es stimmt?«
»Und warum?« Andrejs Blick glitt genau wie der Gordons gerade über die brodelnde Menge und tastete dann über das gegenüberliegende Gebäude. Der Balkon, auf dem Castello gestern gestanden und der Exekution des Briten und der beiden anderen zugesehen hatte, war leer, aber die Tür stand offen, und er konnte schemenhafte Bewegung im Zimmer dahinter wahrnehmen. Dann und wann funkelte Metall. Er war sicher, dass Castello auch heute nicht auf seinen Logenplatz verzichten würde. Ganz besonders heute nicht.
»Ich verachte Männer wie ihn«, antwortete Gordon. »Er ist ein Dummkopf, und er ist grausam. Alles, was er hat, ist Geld, und alles, wozu er es benutzt, ist sich noch mehr Macht zu kaufen und seinen Grausamkeiten zu frönen. Hat Euch Rodriguez erzählt, dass die EL CID seine Idee war?«
Andrej nickte. »Mögt Ihr ihn deshalb nicht? Weil sein Schiff größer ist als Eures?«
»So ziemlich jedes Schiff ist größer als meines«, antwortete Gordon gleichmütig. »Aber allein für die Summe, die der Bau der EL CID verschlungen hat, hätte man zehn Linienschiffe bauen können. Er muss gewaltigen Einfluss bei Hofe haben, um den König zum Bau dieser Abscheulichkeit überredet haben zu können.« »Diese Abscheulichkeit«, antwortete Andrej, »macht mir ganz den Eindruck, als wäre sie auch so stark wie zehn Linienschiffe.«
»Es ist nicht wichtig, wie viele Kanonen ein Schiff hat«, murrte Gordon. »Es sind die Männer an Bord, auf die es ankommt. Und nur sie.« Er schnaubte abfällig. »Gebt mir und meinen Männern den Befehl über die EL CID, und ich gewinne den Krieg ganz allein. Mit einem Mann wie Castello als Kapitän ist sie nicht mehr als ein schwimmender Sarg. Drake wird ihn auffressen.« »Drake?« Andrej stellte seine Versuche ein, mehr als Schatten in dem Fenster auf der anderen Seite des Platzes erkennen zu wollen, und wandte sich ganz zu Gordon um. »Dafür, dass er Euch um ein Haar getötet und Euer Schiff fast versenkt hätte, scheint Ihr eine ziemlich hohe Meinung von ihm zu haben, Capitan«, sagte Andrej. Gordon nickte. »Was mich nicht daran hindert, ihn auf den Grund des Ozeans zu schicken, wenn er mir jemals vor die Kanonen kommt.«
»Wenn Euer Schiff Kanonen hätte.«
»Ich respektiere sein Können, nicht ihn«, fuhr Gordon unbeeindruckt fort. »Und ja, Ihr habt recht. Ich habe eine hohe Meinung von ihm. Manchmal frage ich mich, ob einer von uns beiden in diesem Krieg nicht auf der falschen Seite steht. Seid Ihr jetzt schockiert, Andrej?« »Es ist nicht mein Krieg«, sagte Andrej.
»Aber der meines Landes«, mischte sich Bresto ein. »Nur falls die Herren meine Anwesenheit vergessen haben sollten.«
Gordon schwieg, und auch Andrej sagte nichts. Tatsächlich hatte er Bresto schlichtweg vergessen, und das nicht zum ersten Mal. Andrej hatte niemals selbst einen Adjutanten gehabt, aber er nahm an, dass es zu den Aufgaben eines Adjutanten gehörte, möglichst unsichtbar zu sein. Wenn es so war, dann hatte Bresto offensichtlich seine Bestimmung gefunden.
Immerhin war Gordon diplomatisch genug, das Thema zu wechseln. »Der Wagen mit den Gefangenen muss bald eintreffen«, sagte er. »Wir sollten uns auf den Weg machen.« Er deutete auf die immer noch anschwellende Menschenmenge. »Sie werden genau wie wir im Pöbel stecken bleiben, nehme ich an, aber ich möchte trotzdem vor ihnen dort

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