Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sie auf Euch«, bestätigte Bresto. »Aber nicht gleich. Sie wollen warten, bis Ihr die Zellen erreicht habt und Euren Freund zu befreien versucht.« Und wenn genau das die Falle ist?, dachte Andrej. Was, wenn Loki wollte, dass Bresto ihm ganz genau das erzählte.
Die Antwort auf diese Frage würde er erst dann erfahren, wenn es so weit war.
Dann kam ihm eine andere Idee. »Aber sie werden die Gefangenen auf jeden Fall hinrichten«, fragte er. »Auch wenn ich nicht auftauche.«
»Das … nehme ich an«, sagte Bresto zögernd. Wenn nicht, dann dürfte die Menge dort oben auf dem Marktplatz ziemlich ungehalten reagieren, dachte Andrej. Und Loki würde ganz gewiss nicht das Risiko eingehen, Abu Dun am Leben zu lassen. »Kennst du noch einen anderen Weg hier heraus?«, fragte er. »Einen, auf dem ich nicht in ein Dutzend Musketenkugeln oder Bajonette laufe?«
»Sicher, aber –«
»Dann zeig ihn mir«, unterbrach ihn Andrej. »Und dann gehst du zurück zu Gordon und sagst ihm, dass ich meinen Plan geändert habe. Seine Leute sollen für ein wenig Ablenkung sorgen, sobald es so weit ist.« »So weit?«, fragte Bresto.
Andrej lächelte. »Keine Sorge. Sie werden wissen, wann die Zeit gekommen ist.«

16

D
    ie Sonne war untergegangen, aber auf dem Platz war es nicht dunkler geworden, und auch nicht leiser. Ganz im Gegenteil. In nahezu jedem Fenster und hinter jeder Tür brannten Lichter. Überall an den Begrenzungen des großen Platzes waren Fackeln entzündet worden, und auch in der zusammengelaufenen Menge brannten Lampen, Kerzen oder auch blakende Fackeln, die zwar Licht verbreiteten, aber auch beißenden Qualm und gefährliche Hitze, die vermutlich zu mehr als einem angesengten Schopf oder Kleid und mehr als einer üblen Verbrennung geführt hatten. In das ebenso betrunkene wie ausgelassene Johlen der Menge (das überdies in den letzten Minuten immer unwilliger und fordernder geworden war) mischten sich immer wieder Schmerzoder auch Wutschreie, und Andrej hatte wenigstens einen brennenden Haarschopf gesehen und mindestens eine Gestalt, die sich schreiend am Boden wälzte und mit den Händen auf ihre brennenden Kleider einschlug.
    Andrejs Blick tastete aufmerksam über die Menschenmenge. Von seiner Position aus konnte er sie nicht annähernd so gut übersehen wie vorhin, aber er war dennoch sicher, dass sich ihre Zahl mehr als verdoppelt hatte. Immer noch wurde gelacht und getanzt. Väter trugen noch immer ihre Kinder auf den Schultern, um ihnen einen besseren Blick auf das grausige Schauspiel zu ermöglichen, und junge Frauen boten noch immer ihre Körper und ihr Lachen für eine Handvoll Münzen oder auch nur einen Krug Wein feil. Aber die Stimmung hatte sich geändert. In das ausgelassene Lachen mischten sich immer mehr ungeduldige Schreie und Rufe, und ein oder zwei Mal war auch schon ein leerer Weinkrug geworfen worden und an dem hohen Aufbau im Zentrum des Platzes zerschellt. Der Menge war Blut versprochen worden, und sie begann immer lauter und aggressiver danach zu schreien, dass dieses Versprechen eingelöst wurde. Der Zeitpunkt, zu dem die Hinrichtung angesetzt worden war, lag eine gute Stunde zurück, und Andrej bezweifelte, dass der Mob, in den sich die guten Bürger von Cádiz verwandelt hatten, noch eine weitere Stunde abwarten würde, bevor er sich holte, was ihm zustand.
»Wir sollten anfangen«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Die Leute werden allmählich unruhig.«
Andrej drehte sich nicht sofort zu dem Mann, der ihn mit diesen Worten angesprochen hatte, um, sondern ließ ganz bewusst einen oder zwei Atemzüge verstreichen. Dann nickte er wortlos, aber mehr schien der hochgewachsene Soldat mit der auffälligen Narbe im Gesicht auch nicht erwartet zu haben. Er fuhr dann mit einer zackigen Bewegung auf dem Absatz herum, um dem knappen Dutzend Männer in seiner Begleitung in rüdem Ton Befehle zuzuschreien.
Andrej fragte sich, ob es dieselben waren, die unten im Verlies auf ihn gewartet hatten. Wenn ja, dann hatte Bresto nicht übertrieben. Keiner von ihnen war auch nur einen Zoll kleiner als er, und sie mochten zwar schäbig gekleidet sein und ein bisschen nervös wirken, waren aber in sichtlich guter Verfassung, und zumindest ihre Waffen waren sauber und gepflegt. Und sie trugen sie wie Männer, die wussten, wie sie damit umzugehen hatten.
Warum war er dann so unruhig?
Andrej wusste die Antwort: weil Bresto recht hatte. Was er vorhatte, war der schiere Wahnsinn, selbst für seine

Weitere Kostenlose Bücher