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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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rühren!«
»Capitan?«
»Jacques!«, polterte Gordon. »Wo ist dieser elende Kerl? Verdammt! Bin ich eigentlich der Einzige auf diesem Schiff, der weiß, wer hier der Kapitän ist?« Er gestikulierte wütend in Richtung Heck, auf die Tür der Kapitänskajüte. »Ich habe diesem Kerl befohlen, sich nicht von dieser Tür wegzurühren, solange Señora Gonzales an Bord ist. Wahrscheinlich hat er irgendwo eine Flasche Rum gefunden und schläft gerade seinen Rausch aus! Wartet, bis ich diesen Kerl in die Finger bekomme! Dann wird er mehr als eine Flasche Rum brauchen, um zu vergessen, was ich mit ihm gemacht habe!« Heftig mit beiden Armen gestikulierend, stürmte er weiter und stieß die Tür auf. Andrej folgte ihm dichtauf.
Die Kabine war leer, aber etwas war geschehen. Das Echo von Gewalt und Tod hing in der Luft, und aus seiner Erinnerung drängten Bilder empor, die er immer weniger nur für einen verrückten Traum halten konnte. Gordon fluchte ungehemmt, stürmte durch die kleine Kabine und stieß auch die Tür zu seiner eigenen winzigen Schlafkammer auf. »Ist alles in Ordnung mit Euch, Señora?«
Er bekam keine Antwort, aber als Andrej mit einem raschen Schritt hinter ihn trat, sah er, wie sich Esmeralda auf der schmalen Liege aufsetzte und ihn ansah. Ihr Gesicht war bleich, und ihre Augen noch immer auf schreckliche Weise leer und rot vom Weinen.
Aber sie schien unversehrt, und aus irgendeinem Grund empfand Andrej die Vorstellung als tröstlich, dass sie geweint hatte.
»Ist alles in Ordnung, Señora?«, fragte Gordon noch einmal. Er bekam auch jetzt keine Antwort, aber Esmeraldas Schweigen schien ihm zu genügen. Er zögerte zwar noch einen Moment, murmelte aber dann nur eine Entschuldigung und zog die Tür beinahe hastig wieder zu. Mit finsterem Gesicht wandte er sich zu Andrej um.
»Gut«, knurrte er. »Jetzt muss ich den Kerl wenigstens nicht eigenhändig erwürgen. Aber kielholen. Kielholen ist eine gute alte Seefahrersitte, die viel zu selten genutzt wird.«
»Längs oder quer?«, fragte er, aus keinem anderen Grund als dem, überhaupt etwas zu sagen und auf diese Weise vielleicht den Gespenstern Einhalt zu gebieten, die unsichtbar in den Schatten lauerten und ihm Dinge zuflüsterten, die er nicht hören wollte. Etwas war in dieser Kabine geschehen. Etwas Schlimmes.
»Das kommt ganz auf die Ausrede an, die er parat hat, wenn ich ihn in die Finger bekomme!«, versprach Gordon grimmig. »Kielholen wird er auf jeden Fall! Jetzt kommt es nur noch auf die Richtung an!«
Andrej schwieg, bis sie die Kabine wieder verlassen hatten und Gordon die Tür hinter sich schloss. Schritte polterten über ihnen, und das sachte Zittern des Bodens unter ihren Füßen schien zugenommen zu haben. Das Schiff schaukelte nicht nur in der ohnehin kaum vorhandenen Dünung des Hafens, sondern hatte sich in Bewegung gesetzt.
»Wir steuern einen anderen Liegeplatz an«, sagte Gordon, der schon wieder seine Gedanken erraten zu haben schien. Andrej vergaß immer wieder, was für ein ausgezeichneter Beobachter er war.
»Warum?«
»Mir hat die Nachbarschaft nicht mehr gefallen«, antwortete Gordon. Andrej dachte an die gigantische EL CID, neben der die schlanke Galeere wie ein Kinderspielzeug gewirkt hatte, und konnte ihn sehr gut verstehen. »Darüber hinaus«, fügte Gordon hinzu, »könnte sich ein Liegeplatz näher an der Hafenausfahrt als vorteilhaft erweisen. Nur für den Fall, dass wir vielleicht etwas eher als geplant aufbrechen müssen.« »Eher als geplant?«
»Man weiß nie, was die Zukunft bringt, nicht wahr?«, philosophierte Gordon. »Ich bin immer gerne auf alles vorbereitet, selbst auf das, worauf man sich eigentlich nicht vorbereiten kann. Eines meiner Prinzipien. Vielleicht das, dem ich es verdanke, immer noch am Leben zu sein.«
Andrej verspürte wenig Lust, sich eine Episode aus Gordons zweifellos (für ihn) interessantem Leben anzuhören. Und er wurde noch immer von einer inneren Unruhe geplagt, deren Grund er sehr wohl kannte und immer noch zu leugnen versuchte. »Colonel Rodriguez«, erinnerte er Gordon. »Und Abu Dun. Wo sind sie jetzt?« »Noch immer in der alten Festung«, antwortete dieser. »Nehme ich an. Und das ist die schlechte Nachricht. Ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen. Castello hat an die hundert Männer dort versammelt. Nur seine besten Soldaten. Und nachdem Euer neuer Freund Castellos Einladung auf so unhöfliche Art und Weise ausgeschlagen hat, sind sie noch sehr viel wachsamer.« Er schüttelte

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