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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Kopf, um seinen nachfolgenden Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen. »Unmöglich, dort hineinzugelangen. Wir bräuchten eine Armee, und selbst dann hätten wir binnen weniger Augenblicke die halbe spanische Marine und die ganze Stadt am Hals.« »Dann warten wir, bis die Flotte ausgelaufen ist«, schlug Andrej vor.
»Und das ist die wirklich schlechte Nachricht, Andrej«, seufzte Gordon. »Die Gerichtsverhandlung wurde abgesagt, aber nicht die Hinrichtung.«
Andrej war nicht einmal überrascht. »Wann?«, fragte er nur.
»So, wie es geplant war«, antwortete Gordon ernst. »Heute Abend, bei Sonnenuntergang. Nach der großen Parade.«
»Welche Parade?«
Gordon schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Eine kleine Volksbelustigung, um den Pöbel bei Laune zu halten … oder was dieser Hund Castello dafür hält.« Dieser Hund? Interessant. »Die Flotte ist bereit zum Auslaufen. Munition und Lebensmittel sind an Bord, und im Laufe des Tages treffen die letzten Truppen und Mannschaften ein. Das übliche große Fest, bevor die tapferen Männer in den Krieg ziehen, um sich für König und Vaterland umbringen oder verkrüppeln zu lassen.« Seine Stimme troff vor Abscheu, und Andrej kam nicht umhin zu fragen:
»Wenn Ihr wirklich so denkt, Capitan, warum dient Ihr dann in dieser Flotte?«
»Das tue ich nicht, Andrej.«
»Nicht?«
»Ich segle unter ihrer Flagge, aber ich diene ihr nicht«, antwortete Gordon. »Ich werde bezahlt. Bezeichnet mich als Söldner, wenn Ihr es wollt. Die spanische Krone war so freundlich, mein Schiff instand zu setzen, und sie zahlt mir eine hübsche Summe dafür, ihr mein Schiff und die Schwerter meiner Mannschaft zur Verfügung zu stellen. Ich werde meinen Teil des Vertrages einhalten, keine Sorge, aber mehr auch nicht. Phillip hat mein Schiff und mein Schwert gekauft. Nicht meine Seele.«
Eine sonderbare Einstellung für einen Söldner, fand Andrej, hütete sich aber, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Dies war nicht der Moment für eine Unterhaltung dieser Art. Außerdem ähnelte Gordons Einstellung viel zu sehr seiner eigenen, als dass es überhaupt Grund zu einer Diskussion gegeben hätte. Abu Dun und er hatten in mehr Kriegen als Söldner gekämpft, als Läuse auf diesem schwimmenden Wrack waren, und niemals war es einem ihrer Auftraggeber gelungen, mehr als ihre Schwerter zu kaufen. Andrej musste allerdings auch daran denken, dass sie mehr als einmal die Seiten gewechselt hatten, wenn sie im Dienst eines Mannes gestanden hatten, der fälschlicherweise glaubte, mit Geld alles kaufen zu können.
»Und der Höhepunkt dieser kleinen Volksbelustigung ist eine öffentliche Hinrichtung.«
»Die Eures Freundes, des Colonel und eines Dutzends anderer Verbrecher«, bestätigte Gordon. Andrej biss sich auf die Zunge, um sich die Bemerkung zu verkneifen, dass diese Wortwahl möglicherweise ein wenig zweifelhaft war.
»Am sichersten wäre es wahrscheinlich, den Transport gleich nach Verlassen der Festung anzugreifen«, fuhr Gordon fort. »Aber damit werden sie rechnen und uns erwarten. Ich fürchte Castellos Spielzeugsoldaten nicht, aber ich möchte auch nicht zu viele meiner Männer verlieren.«
»Anzugreifen?«, fragte Andrej, leise überrascht. »Rodriguez ist mein Freund, Andrej«, erinnerte Gordon ernst. »Ich lasse ihn nicht im Stich. So wenig wie Ihr den Euren.«
»Aber Ihr habt recht«, sagte Andrej, ohne auf Gordons letzte Worte einzugehen. »Es könnte blutig werden.« »Und genau aus diesem Grund habe ich meinen Plan geändert«, bestätigte Gordon. »Meine Männer sind noch dabei, einen geeigneten Platz auszukundschaften, aber ich halte es für sicherer, irgendwo auf dem Weg zuzuschlagen. Die Straßen werden so voller Menschen sein, dass sie unmöglich jeden kontrollieren können.« Andrej überlegte einen Moment. »Ich nehme an, die Hinrichtung findet auf demselben Platz statt wie gestern?«
Gordon nickte. »Dann habe ich vielleicht eine bessere Idee«, sagte Andrej. »Schickt Bresto zu mir.«
    Nun begann er sich, so schien es zumindest, wirklich in ein Geschöpf der Nacht zu verwandeln. Gordon hatte ihm – schon damit ihn niemand erkannte – einen zerschlissenen und für die Jahreszeit viel zu warmen Mantel und einen nicht minder schäbigen Hut mit breiter Krempe gegeben, den er so weit wie möglich ins Gesicht gezogen hatte, ohne Aufsehen zu erregen oder vor jedes Hindernis zu laufen, das ihm nicht schnell genug aus dem Weg sprang. Dennoch atmete er erleichtert auf, als er das

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