Göttin der Rosen
Atemzug traf sie eine Entscheidung. Sie wollte, dass er es wusste. Er musste es erfahren. »Hekate hat mir den Grund dafür teilweise erklärt – ich habe mich deshalb so fehl am Platz gefühlt, weil ich dazu bestimmt war, in dieser Welt ihre Empousa zu werden, denn in meinen Adern fließt das Blut einer Hohepriesterin. Aber es gibt noch einen anderen Grund. Deshalb lasse ich niemanden, vor allem keinen Mann, mir je zu nahekommen. Auch das hat mit meinem Blut zu tun.« Sie studierte seine dunklen Augen und flehte ihn wortlos an, sie zu verstehen. »Die Frauen in meiner Familie sind durch ihr Blut mit den Rosen verbunden. Wenn wir einer Rose mit unserem Blut vermischtes Wasser geben, dann wächst sie. Immer – es ist unglaublich. In der Alltagswelt war mein Talent beispiellos – außer den Frauen in meiner Familie hat es niemand verstanden, und ich hatte das Gefühl, ein Sonderling zu sein. Ich musste mein Geheimnis für mich behalten.« Da er ganz still und blass geworden war, machte sie sich plötzlich Sorgen und fühlte, wie sie sich innerlich duckte. »Ich wollte, du würdest etwas sagen. Das habe ich nämlich noch nie jemandem erzählt.« Als er immer noch schwieg, begann sie, sich von ihm zu entfernen, aber er zog sie mit einem leisen Knurren zurück in seine schützenden Arme.
»Du hast dich dort nicht akzeptiert gefühlt, weil es dein Schicksal war, Hekates Empousa zu werden und die Rosen und auch ihren einsamen Wächter zu heilen. Das Blut, das in deinen Adern fließt, ist die Lebenskraft dieses Reichs. Deine Liebe erhält uns am Leben.« Er schloss die Augen und vergrub das Gesicht in ihren Haaren, verbot sich zu zittern, verdrängte die Gedanken …
Mikki entspannte sich und schmiegte sich wieder an ihn. »Ich staune immer noch. Wenn auch nur irgendeine Kleinigkeit anders gelaufen wäre, dann wäre ich nicht hier.« Sie lehnte sich in seinen Armen zurück, so dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte, und fragte sich flüchtig, warum er so blass aussah. »Weißt du, es war mein Blut, das dich geweckt hat.«
»Das wusste ich nicht.« Seine Stimme klang ernst. »Ich weiß nur, dass du mich geweckt hast, und ich konnte deinen Duft riechen und wusste, dass du Hekates Empousa warst.«
»Eigentlich ist das ein ziemlich seltsames Detail der Geschichte. Genau an dem Tag hat mir nämlich eine fremdartige alte Frau ein Parfüm geschenkt, und ich habe es spontan aufgetragen. So sonderbar das vielleicht klingen mag, ich benutze den Duft auch jetzt. Gii nennt ihn das Salböl der Empousa.«
Asterius runzelte die Stirn. »Wie kann das sein?«
Schulterzuckend ließ Mikki sich wieder zurücksinken und räkelte sich. »Keine Ahnung, aber diese Frau war wirklich exzentrisch. Und wunderschön, obwohl sie schon ziemlich alt war. Sie hatte unglaubliche blaue Augen. Sie war Ausländerin, aber ich konnte ihren Akzent nicht einordnen. Sie hat gesagt, sie hätte das Parfüm …« Mikki hielt inne und versuchte, sich genau an die Worte der Frau zu erinnern. »Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie es irgendwo in Griechenland gefunden. Aber an ihren Namen erinnere ich mich noch genau, denn sie war genau wie ich nach einer Rose benannt – Sevillana.«
Sie fühlte, wie ein Schock durch seinen Körper zuckte, zog sich ein Stück zurück, konnte aber den Ausdruck auf seinem unnatürlich bleichen Gesicht nicht entziffern.
»Was ist los? Was hast du?«
»Es … es ist … nichts. Alles in Ordnung. Ich bin nur überrascht, dass eine Frau in der gewöhnlichen Welt das Salböl von Hekate bei sich trägt. Das ist mir ein Rätsel.« Er schlang wieder die Arme um sie. »Leg dich zu mir. Ich möchte deinen Körper an meinem spüren.«
Mikado sank auf seine Brust, und er liebkoste die anmutige Linie ihres Rückens, während seine Gedanken sich im Kreis drehten. Sevillana … der Name hatte wahre Schockwellen durch seinen Körper gesandt. Sie war es! Nie würde er die kalte Schönheit ihrer berechnenden Augen und ihren Namen vergessen. Aber wie war das möglich? Dort verging die Zeit in einem anderen Rhythmus, das wusste er wohl. Aber es mussten in der gewöhnlichen Welt mindestens zweihundert Jahre vergangen sein. Vielleicht hatte die abtrünnige Empousa auf ihrer Flucht noch mehr über den Scheideweg mitgenommen als nur ein Fläschchen Salböl. Vielleicht hatte sie etwas von der Magie des Reichs gestohlen.
Doch dann wurde ihm allmählich die Tragweite dieser Erkenntnis bewusst. Sevillana lebte! Wenn im Frühling eine Empousa für das
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