Göttin der Rosen
der intensive Duft gaben die Rose als eine Chrysler Imperial zu erkennen.
Was hatten die beiden Rosensorten gemeinsam? Chrysler Imperial gehörte zur Gruppe der Teehybriden, Salet zu den Moosrosen. Die eine war rot, die andere rosa. Und sie wuchsen auch nicht in der Nähe voneinander. Ratlos starrte Mikki zu den gesunden rosaroten Blüten hinüber, die sich allem Anschein nach nicht um das Sterben um sie herum zu kümmern schienen. Unwillkürlich schauderte sie. War das Beet mit den Salet-Rosen nicht das, in dem die Traumdiebe sie zu vergewaltigen versucht hatten? Die Kreaturen hatten sie zu Boden gestoßen, dann war Asterius zum Glück rechtzeitig aufgetaucht und …
Mikki stockte der Atem. Auf einmal wusste sie, warum die Rosen lebten, ja sogar mitten zwischen denen gediehen, die von Tod und Krankheit heimgesucht wurden. Mikki wusste, was diese Büsche gemeinsam hatten. Ihr Blut hatte sie berührt.
Unsicher ging sie zur nächsten Bank, und gerade als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten, ließ sie sich darauf nieder. Abwesend berührte sie ihre Schulter und erinnerte sich daran, wie stark sie geblutet hatte. Und dicht beim Tor hatte Hass ihr die Halsschlagader durchtrennt. Ihr fiel ein, wie sie dort gelegen hatte, halb im Beet, halb auf dem Marmorweg, während das Blut aus ihrem Körper geströmt war.
Also hatte ihr Blut die Rosen gerettet, sie vor dem Gift der Traumdiebe geschützt. Sie versuchte, die enorme Tragweite dieser Erkenntnis zu verstehen. Immer wieder gingen ihr die Worte mein Blut hat sie gerettet durch den Kopf.
»Mikado, die Frauen erwarten deinen Befehl.«
Sie blickte auf und blinzelte. Neben der Bank kniete Asterius und wischte ihr sanft die Tränen von den Wangen.
»Vertrau dir selbst, Liebste. Du wirst einen Weg finden, sie zu heilen.«
Als sie in seine dunklen, ausdrucksvollen Augen blickte, wusste sie, dass er recht hatte. Sie wusste, wie sie die Rosen heilen konnte, und sie vertraute sich selbst. Jetzt musste sie nur noch den Mut finden, entsprechend zu handeln.
»Ich gehe in Hekates Tempel und rede mit den Frauen. Bitte sag den Elementaren, sie sollen alle zusammenrufen und mich dort treffen.«
»Ja, meine Empousa«, antwortete Asterius, verbeugte sich vor ihr, nahm dann ihre Hand und küsste sie zärtlich.
Mikki stand im Tempel, hinter ihr hatten die Elementare einen Halbkreis gebildet. Weiter hinten, ganz nah bei der ewigen Flamme der Göttin, war Asterius. Nachdenklich blickte Mikki auf die zahlreich versammelten Frauen. Sie schwiegen besorgt und ängstlich, ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf ihre Empousa konzentriert. Mikki straffte die Schultern, holte tief Luft und richtete das Wort an die Anwesenden.
»Wir haben viel Arbeit vor uns, und wir müssen uns beeilen und konzentrieren, um der Krankheit, die unsere Rosen befallen hat, Einhalt zu gebieten. Aber ich gebe euch mein Wort, dass ich weiß, was dafür zu tun ist.« Sie hielt inne, während ein erleichtertes Seufzen durch die Reihen ging. »Diesmal teilen wir uns nicht in vier Gruppen, denn wir müssen uns alle auf den Bereich beim Rosentor konzentrieren und von dort aus weiterarbeiten. Als Erstes möchte ich, dass ihr ein paar Behälter mit dem stärksten Wein holt und in die Gärten bringt.« Sie sah die Überraschung der Frauen, und um ein Haar hätte sie gelächelt. »Ihr werdet die kranken Rosenstöcke bis zum Boden zurückschneiden. Dann nehmt ihr die abgeschnittenen Stöcke und stapelt sie außerhalb der Rosenmauer, wo Floga sie verbrennen wird. Wenn ihr von Busch zu Busch geht, müsst ihr eure Scheren in die Weinkübel tauchen, denn so können wir die Ausbreitung der Krankheit auf die noch nicht infizierten Sträucher verhindern. Außerdem müssen eure Scheren rasiermesserscharf sein, und ihr müsst immer schräg schneiden.« Sie ließ den Blick über die Gruppe wandern und schaute den Frauen zuversichtlich in die Augen. »Habt ihr noch Fragen?«
Alle schwiegen.
»Dann machen wir uns an die Arbeit.« Sofort eilten die Frauen davon, um Scheren und Wein zu holen, und Mikki wandte sich ihren Dienerinnen zu. »Ich habe nicht übertrieben, wir müssen hart und schnell arbeiten. Die Krankheit breitet sich in einem unnatürlichen Tempo aus.« Dann sah sie zu Asterius hinüber, der im Schatten stand. »Asterius, mir ist der Gedanke, das verdammte Tor zu öffnen, zwar absolut zuwider, aber mein Instinkt sagt mir, dass es ein großer Fehler wäre, die Rosen innerhalb des Reichs zu verbrennen.«
»Dann folge
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