Göttin des Lichts
entfernt. Marilyn’s hatte immer eine großartige Auswahl an italienischen Rotweinen und Großbild-Fernsehschirme, auf denen ununterbrochen Marilyn-Monroe-Filme liefen. Der Chianti hier konnte jedoch durchaus mithalten. Pamela genoss den sanften, nachhaltigen Geschmack des exzellenten Getränks mit gemächlichen Schlucken und wählte von der Vorspeisenplatte als Erstes eine Kalamata-Olive, gefolgt von einer dicken Scheibe Büffel-Mozzarella. Alles schmeckte vorzüglich.
Sicher, ihr Vorstoß in die Flirtszene hatte bisher nicht so gut geklappt, aber das war nicht ihre Schuld gewesen. Der einzige Kandidat, der aufgetaucht war, trug eine dicke Goldkette, also konnte man ihn eigentlich nicht zählen. Das Eintrittspreis-Debakel hatte sie aus dem Casino vergrault und ihr die Motivation geraubt, es mit dem Glücksspiel zu probieren. Aber das Wochenende hatte ja auch gerade erst begonnen, also durfte sie die Sache nicht als komplettes Verlustgeschäft betrachten – noch nicht. Vielleicht ließ sich wenigstens eine Shoppingtour daraus machen. Oder wenigstens eine Schuhtour.
Der Gedanke, sich neue Schuhe zu kaufen, verbesserte ihre Stimmung augenblicklich. Dann aber fiel ihr ein, wie V reagieren würde. Bestimmt würde ihre Freundin ihr vorwerfen, dass sie in alte Gewohnheiten zurückfiel, statt etwas Neues auszuprobieren, und offensichtlich total in ihrem Trott feststeckte. Nachdenklich kaute sie auf der nächsten Olive, als der Kellner an ihrem Tisch stehenblieb, um ihr Wein nachzuschenken. Womöglich hatte V recht. Vielleicht gab sie sich nicht genug Mühe.
Entschlossen klappte Pamela die Zeitschrift zu und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung. Die Menschenmenge am Brunnen war eindeutig dichter geworden. Auf einmal fiel ihr Blick auf eine junge Frau mit auffallend schönen blonden Haaren. Sie unterhielt sich mit einer anderen jungen Frau, deren Haare genauso wundervoll waren und ihr in dichten, silbern glänzenden Wellen über den Rücken fielen. Beide Frauen waren kostümiert, und Pamela vermutete, dass sie aussehen sollten, als gehörten sie auf die Straßen des alten Rom. Hauchfeine, wolkenfarbene Seidenstoffe verhüllten ihre geschmeidigen jungen Körper, aber als die eine zu lachen anfing und dabei eine anmutige Drehung vollführte – fast so, als wäre sie eine Tänzerin –, öffnete sich eine raffiniert versteckte Falte in ihrem Gewand und gab den Blick auf glatte Porzellanhaut frei. Außerdem hatte es den Anschein, als wären die beiden Schönen von einer Art Goldschimmer umgeben, und während sie durch den Touristenschwarm in Richtung Brunnen schlenderten, hinterließen sie eine glitzernde Spur. Nur widerwillig riss Pamela den Blick von den beiden los und schaute wieder auf den Rest der Menge. Keiner der anwesenden Männer konnte die Augen von den verführerisch gekleideten Frauen abwenden.
Offensichtlich handelte es sich um eine gut funktionierende Publicity-Masche – zumindest aus der männlichen Perspektive. Und war das nicht typisch? Nachdenklich betrachtete sie die wachsende Menschengruppe, die sich um den Brunnen herum versammelte. Genau wie sie es sich gedacht hatte, waren die meisten weiblichen Geschlechts, und es erschienen immer mehr spärlich bekleidete Frauen, stets in Zweiergrüppchen. Und gesellte sich etwa ein ebenso offenherzig gekleideter junger Mann zu ihnen? Natürlich nicht.
»Ich wette, dass sich Frauen im alten Rom nicht wirklich so angezogen haben«, brummte Pamela vor sich hin. »Sie hätten sich ja den Tod geholt.«
»Kommt alle her, kommt alle! Kommt in die Einkaufshalle!«
Unvermittelt dröhnte die Konservenstimme der zentralen Brunnenstatue aus den Lautsprechern, und Pamela, die darauf nicht gefasst gewesen war, zuckte erschrocken zusammen. Als sie auf ihre Uhr sah, stellte sie überrascht fest, dass es tatsächlich schon acht war.
»Ah, heute Abend haben wir etwas Besonderes, es ist Zeit! Ihr Nymphen, tanzt für die Gäste, immer schön zu zweit!«
Nun, das erklärte einiges. Die dürftig bekleideten jungen Frauen waren also Schauspielerinnen, die Nymphen darstellen sollten. Als sie nun aus der Menge heraustraten und paarweise um den Brunnen herum zu tanzen begannen, musste Pamela zugeben, dass sie wirklich sehr hübsch aussahen. So viele fachmännische Haarverlängerungen auf einem Fleck waren ihr noch nie untergekommen. Gedankenverloren schlürfte sie weiter ihren Wein und beobachtete die »Nymphen«, die anmutig hüpften, sich lachend im Kreis drehten
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