Göttin des Lichts
gebeten, einen Krieg anzufangen oder – noch schlimmer –, den Weltfrieden herbeizuführen. Sie wünschte sich lediglich, von einem Gott den Hof gemacht zu bekommen. Nachdenklich sah Artemis ihren hübschen Bruder an, dessen Gesichtsausdruck unverkennbar zeigte, dass er sich für die Frau interessierte. Artemis’ Erleichterung wurde immer größer. Die Lösung dieses Problems war vielleicht gar nicht so schwierig.
»Ich glaube, ich habe überreagiert. Die Sterbliche möchte einfach nur von einem Gott verführt werden.«
»Nein, sie hat nicht gesagt, dass sie verführt werden möchte. Sie hat sich gewünscht, dass romantische Gefühle in ihr Leben zurückkehren«, verbesserte Apollo sie. Seine Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen, und er wandte die Augen keine Sekunde von der Sterblichen ab.
»In Form eines göttlichen Mannes, ja. Du, mein lieber Bruder, bist ein solcher. Also, worauf wartest du noch?« Kopfschüttelnd sah sie Apollo an. War ihr Bruder auf einmal schwer von Begriff? »Ich bin ganz sicher nicht das, was sie sich wünscht, aber sie hat mich an sich gebunden, damit ich ihren Wunsch erfülle. Du bist mein Bruder. Der Gott, der mir von allen Olympiern am nächsten steht. Also bist du perfekt geeignet, mich von dieser dummen Verpflichtung zu befreien.«
»Ja, da hast du recht.« Sein Lächeln wurde breiter.
»Natürlich habe ich recht«, bestätigte sie, wobei sie sein selbstgefälliges Lächeln bemerkte. War es nicht genau das, was er wollte? War er nicht vor ein paar Minuten regelrecht poetisch geworden wegen Hades und seiner sterblichen Geliebten? Jetzt hatte er die Chance, die Liebe einer modernen Sterblichen zu erleben – einer Frau, die nicht schon in einen anderen Gott verliebt war. Einen Augenblick fragte sie sich, ob dieses Ereignis vielleicht mehr als ein Zufall war. Verstohlen blickte sie sich um. Ob Zeus wohl etwas im Schilde führte? Aber sie verwarf den Gedanken. Nein, sie war ganz allein auf die Idee gekommen, ihren Bruder ins Königreich von Las Vegas mitzunehmen, um ihn ein wenig aufzuheitern. Und allem Anschein nach war das eine gute Entscheidung gewesen. Die altmodische Verführung einer sterblichen Frau wirkte bestimmt Wunder und vertrieb seine mürrische Stimmung im Nu. Ziemlich zufrieden mit sich legte sie ihm die Hand auf die Schulter. »Geh zu ihr. Mach ihr den Hof. Schlaf mit ihr. Erfüll all ihre erotischen Wünsche. Aber beeil dich. Vermutlich wäre es am besten, wenn Zeus nichts von der ganzen Sache erfährt. Wir zwei werden schon alleine mit Bacchus fertig.« Dann fügte sie noch schnell hinzu: »Aber du solltest dich ihr vielleicht lieber nicht zu erkennen geben. Es wäre nicht wünschenswert, wenn eine sterbliche Frau anderen Menschen erzählt, wie sie es geschafft hat, eine Göttin zur Hilfe zu verpflichten und den goldenen Apollo in ihr Bett zu locken.«
Er sah sie an und runzelte die Stirn. »Selbstverständlich werde ich ihr nichts davon sagen.«
»Wunderbar«, sagte sie und rieb sich die Hände, als hätte sie soeben einen schwierigen Job zur Zufriedenheit erledigt.
»Wo wirst du dich aufhalten?«, fragte Apollo.
»Na, ganz sicher nicht bei dir!« Artemis grinste und knuffte ihn spielerisch in die Schulter. »Ich werde mir noch einen von diesen herrlichen Martinis gönnen, dann kehre ich auf den Olymp zurück. Morgen, wenn die Beschwörung erfüllt ist, treffen wir uns dort. Dann kannst du mir alles erzählen, und wir beschließen, was wir wegen Bacchus unternehmen wollen.« Sie schubste ihn leicht nach vorn und sah zu, wie er auf die Sterbliche zuging, die unwissend eine Göttin dazu verpflichtet hatte, ihr zu helfen. Artemis strich sich durch die Haare, obwohl diese natürlich wie immer perfekt frisiert waren. Bis morgen früh war Apollo bestimmt wieder ganz normal.
»Falls du mir meinen Wunsch erfüllen magst, dann bring mir bitte zur Abwechslung einen Mann, der wirklich göttlich ist.«
Als sie den Satz ausgesprochen hatte, prickelten die feinen Haare auf Pamelas Unterarmen, als wäre ein Stromstoß durch ihren Körper gefahren.
Wow!
Entschuldigend lächelte sie den Kellner an, der die von ihr verursachte Weinlache schnell und professionell aufwischte. Normalerweise vertrug sie ziemlich viel Wein, aber jetzt war ihr Kopf wirklich benebelt. Nur gut, dass sie nicht Autofahren musste.
»Ich bringe Ihnen gleich ein neues Glas, Ma’am«, versprach der Kellner. Dann fiel sein Blick auf das um ihren Finger gewickelte Papiertaschentuch.
Weitere Kostenlose Bücher