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Göttin des Lichts

Titel: Göttin des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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Augen wurden finster. Keiner hatte das Recht, sich über seine Schwester lustig zu machen, nicht einmal einer der Unsterblichen. Aber zu seiner Überraschung spürte er, wie sich der Griff von Artemis’ Hand um seine verstärkte, und jetzt war sie es, die ihn davon abhielt, sich einzumischen.
    »Hör doch, was die Nymphen singen«, sagte Artemis mit einer Stimme, der man die Anspannung deutlich anmerkte.
    Apollo schob seinen Ärger über Bacchus beiseite und spitzte die Ohren. Das melodiöse Summen der Nymphen hatte ein verlockendes, vertrautes Tempo, und noch bevor die Halbgottheiten die Worte der Beschwörung anstimmten, spürte Apollo, wie sich als Reaktion auf den unsichtbaren Energieschwall, der die Luft um sie herum erfüllte, die feinen Härchen an seinen Unterarmen aufstellten.
    »Ihr, die ihr die alten Wege sucht, stellt euch vor,
    Dass die Unsterblichen zurückkehren
    Und mit ihnen eure Urahnen,
    Die einst die alten Götter verehrten,
    Die Feld und Wald, Wind und Wasser, Erde und Luft segneten.
    Heute Abend beschwören wir die alte Zeit – die längst vergangenen Tage.«
    Die Stimmen der Nymphen waren so schön, dass die lauschenden Sterblichen unwillkürlich den Atem anhielten.
    »Was machen die denn da?«, fragte Apollo und merkte, dass er plötzlich einen Kloß im Hals hatte. »Das ist ein echtes Beschwörungsritual. Ich kann die Energie spüren – beim Bart des Zeus, sie ist ja fast sichtbar!«
    Hilflos sahen die beiden Unsterblichen zu, wie die Nymphen ihr magisches Netz weiterspannen.
    »Feiert das Wiedererwachen der Olympier
    Und die Rückkehr der uralten Mysterien.
    Feiert das Erstarken von Schönheit und Fruchtbarkeit.
    Wir verkünden die Rückkehr der Götter,
    Mit Zauberbann, Sprechgesang und Lied.
    Lasst uns die Hilfe der Alten anrufen!«
    »Wir müssen sie aufhalten!«, rief Apollo und setzte sich in Bewegung, aber wieder hielt seine Schwester ihn mit festem Griff zurück.
    »Wie denn?«, flüsterte sie. »Wie sollen wir sie aufhalten, ohne eine fürchterliche Szene zu machen?«
    Apollos Kiefer spannte sich an. »Aber wir können nicht zulassen, dass sie die Beschwörung vollziehen! Denk doch mal, was für Konsequenzen es hätte, wenn ein moderner sterblicher Mensch einen Gott zur Hilfe verpflichtet!«
    »Du bist derjenige, der nachdenken sollte, Bruder. Die Beschwörung ist harmlos.«
    »Wie kannst du das behaupten? Die Energie ist um ein Zehnfaches angestiegen! Wahrscheinlich wird das Ritual dadurch intensiver, dass es so lange keine Magie in dieser Welt gegeben hat. Dieses Band wird untrennbar sein«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Es wird nie so weit kommen«, beharrte Artemis. »Wer hier weiß denn schon, wie man das Ritual vollzieht?«
    Der sinnliche Gesang der Nymphen erfüllte unterdessen weiter die Luft.
    »Sanft wispert der Wind von weit her,
    Gegrüßt seist du …«
    »Es muss ein Trankopfer dargebracht werden, Wein aus dem alten Italien«, rief Artemis ihrem Bruder ins Gedächtnis. »Und dann muss auch noch Blut mit dem Wein vermischt werden.« Die Göttin lächelte süffisant. »Wie viele Äonen sind vergangen, seit diese Sterblichen das letzte Mal ein Blut- und Trankopfer dargebracht haben? Und nicht einmal das macht das Ritual endgültig bindend.«
    »Im Namen von
    Bacchus und
    Apollo und
    Artemis
 –
    Lass die Macht der Götter klar werden, frisch und frei …«
    »Am Ende der Beschwörung muss ein echter Herzenswunsch laut ausgesprochen werden«, ergänzte Apollo Artemis’ Ausführungen, und seine Schulter entspannten sich etwas. »Du bist einfach klüger als ich, Schwester. Kein moderner Sterblicher kann wissen, wie man das Ritual vollzieht.«
    Apollo sah Artemis lächelnd an und wandte sich dann wieder den Nymphen zu. Jetzt, wo er hinsichtlich der Sterblichen in seiner Umgebung beruhigt war, konnte er die ewige Schönheit des Rituals endlich genießen. Er erinnerte sich nicht mehr, wann die Nymphen in der Alten Welt das letzte Mal ein so kraftvolles Ritual durchgeführt hatten.
Sie besitzen eine solch ätherische Schönheit
, dachte er, während er sich dem Zauberbann öffnete und seinen Geist von ihm umhüllen ließ. Die Beschwörung war unverfälscht und kam von Herzen. Wie üblich ging es den Nymphen nur darum, den Menschen einen Gefallen zu tun, und Apollo spürte, wie die Essenz der Unsterblichkeit in ihm auf ihre Bitten reagierte. In diesem Augenblick hätte er sich am liebsten unter die tanzenden Nymphen gemischt und den Sterblichen

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