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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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überzeugt. »Sie haben offenbar einen recht stressigen Beruf.«
    »Ich liebe Stress«, versuche ich zu erklären. Stimmt ja auch. Das weiß ich schon, seit ...
    Ja, seit es meine Mutter zu mir gesagt hat, ich war etwa acht. Du liebst Stress, Samantha. Wir alle tun das. Es ist unser Familienmotto. Oder so ähnlich.
    Abgesehen von meinem Bruder Peter, natürlich. Der hatte einen Nervenzusammenbruch. Aber wir übrigen lassen uns nicht so schnell kleinkriegen.
    Ich liebe meinen Beruf. Ich liebe es, die Lücken in einem Vertragstext ausfindig zu machen. Ich liebe den Adrenalinrausch, wenn es zum Abschluss kommt. Ich liebe die Verhandlungen, das Ringen mit dem Gegner, äh, Klienten. Ich liebe es, die andere Seite mit dem besten Argument niederzuschmettern.
    Nun ja, gelegentlich habe ich schon das Gefühl, als würde mir jemand eine gewaltige Last auf die Schultern laden - die ich dann schleppen muss, egal wie erschöpft ich bin ...
    Aber so geht‘s doch jedem. Ist doch ganz normal.
    »Ihre Haut ist total dehydriert.« Maya schüttelt den Kopf. Fachmännisch streichen ihre Finger über meine Wange, heben mein Kinn. »Ihr Puls ist sehr hoch. Das ist besorgniserregend. Stehen Sie im Moment unter starker Anspannung?«
    »Es ist zur Zeit viel los in der Kanzlei.« Ich zucke die Achseln. »Nur vorübergehend, natürlich. Mir geht‘s gut.« Könnten wir jetzt mal zu Potte kommen?
    »Wie Sie wollen.« Maya steht auf und drückt auf einen Wandschalter. Plötzlich ertönt dezente Panflötenmusik. »Ich kann nur sagen, bei uns sind Sie gut aufgehoben, Samantha. Bei uns werden Sie Ihren Stress los, bei uns können Sie mal so richtig entspannen. Bei uns werden Sie revitalisiert und gründlich entgiftet.«
    »Wie nett«, murmle ich. Ich habe kaum zugehört, weil mir plötzlich eingefallen ist, dass ich ja vergessen habe, mich bei David Eldridge wegen des ukrainischen Öl-Deals zu melden. Ich wollte ihn doch gestern anrufen. Verdammter Mist!
    »Wir vom Green Tree Center bieten dem gestressten Menschen von heute einen Hort der Ruhe, eine Zuflucht vor dem Lärm und der Hektik des Alltags, den täglichen Sorgen des Lebens«, leiert Maya mit Singsangstimme. Sie drückt auf einen anderen Schalter und plötzlich herrscht stimmungsvolles Schummerlicht. »Aber bevor wir anfangen«, säuselt sie, »haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
    »Ach ja, schon.« Eifrig beuge ich mich vor.
    Maya strahlt. »Schön! Wollen Sie vielleicht mehr über die heutige Behandlung erfahren oder ist Ihre Frage eher allgemeiner Natur?«
    »Dürfte ich vielleicht schnell eine E-Mail schicken?«
    Mayas Lächeln gefriert zu Eis.
    »Nur ganz schnell«, versichere ich hastig. »Dauert keine zwei Sekündchen -«
    »Samantha, Samantha ...« Maya schüttelt den Kopf. »Sie sind hier, um sich zu entspannen. Um sich mal Zeit für sich selbst zu nehmen. Nicht um E-Mails zu verschicken. Das ist eine Sucht! Eine Pest! So schlimm wie Alkohol. Oder Koffein.«
    Um Himmels willen, ich bin doch nicht süchtig. Einfach lächerlich. Ich meine, ich checke meine E-Mails doch nur ... alle dreißig Sekunden. In etwa.
    Es ist doch so: In dreißig Sekunden kann eine Menge passieren.
    »Im Übrigen, Samantha«, fährt Maya fort, »sehen Sie hier irgendwo einen Computer?«
    »Nein.« Gehorsam blicke ich mich in dem schummrigen Kabäuschen um.
    »Deshalb verlangen wir ja von unseren Gästen, sämtliche elektronischen Geräte in einem der Schließfächer zu lassen. Handys verboten. Taschencomputer verboten.« Maya breitet die Arme aus. »Das hier ist ein Hort der Ruhe, der Erholung. Eine Zuflucht vor der Hektik der modernen Welt.«
    »Schon kapiert.« Ich nicke demütig.
    Jetzt ist wahrscheinlich nicht der beste Zeitpunkt, ihr zu verraten, dass ich einen BlackBerry im Papierhöschen eingeschmuggelt habe.
    »Also, dann wollen wir mal.« Maya lächelt wieder. »Legen Sie sich hier hin und decken Sie sich mit einem Handtuch zu. Und bitte nehmen Sie Ihre Uhr ab.«
    »Was, meine Uhr?!«
    »Noch so eine Sucht.« Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge. »So lange Sie hier sind, steht die Zeit für Sie still.«
    Von wegen. Da mir jedoch nichts anderes übrig bleibt und sie mir bereits auffordernd den Rücken zukehrt, mache ich schließlich widerwillig meine Armbanduhr ab. Dann lasse ich mich umständlich auf der Liege nieder und breite das Handtuch über mir aus. Schließlich will ich meinen kostbaren BlackBerry nicht zerquetschen.
    Ich habe das mit dem elektronischen Equipment natürlich gelesen.

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