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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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bereits. Kaum achtete sie mehr auf den Weg, stolperte über eine Unebenheit, stapfte in eine Pfütze. Mahnend fasste Caspar ihr unter den Arm. Sie schüttelte ihn jedoch verärgert ab und beschleunigte ihre Schritte, um Telpin einzuholen.
    »Habt Ihr den Baumeister Selege gefunden? Wo ist er? Verratet es mir bitte!« Ihr Herz raste, als sie zu dem hochgewachsenen Mann aufschaute. Seine Miene schien unergründlich. Das Lächeln um seine Mundwinkel wirkte wie eingemeißelt.
    »Habe ich das gesagt?«, erwiderte er, den Blick weiter geradeaus gerichtet.
    »Warum sonst habt Ihr so schnell nach uns geschickt?«
    Fahrig spielten ihre Finger mit den Zipfeln ihres Tuchs, glitten über die rauhe Haut des Feuermals im Nacken. Ein Anflug von Trotz erfasste sie. Sie reckte das Kinn und griff Telpin am Arm, bedeutete ihm anzuhalten. Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte er sich um.
    »Sagt es mir bitte gleich, falls wir uns umsonst Hoffnung machen.«
    »Verzeiht, liebes Fräulein, aber Eure Ungeduld habt Ihr offensichtlich von Eurem Vater geerbt. Der kann es ebenso schwer ertragen, eine Weile auszuharren, bis er erfährt, was er erfahren will. Das müsst Ihr Euch abgewöhnen!«
    Der Vergleich mit dem ihr unbekannten Fischart schreckte Agnes. »So kennt Ihr meinen Vater persönlich?«
    »Aber natürlich!« Telpin lachte auf. »Die Ähnlichkeit Eures Bruders mit Eurem Herrn Vater ist offensichtlich. Das hat mich gestern dazu verleitet, Euch meine Unterstützung anzubieten. Wildfremden hätte ich ganz gewiss nicht so einfach beigestanden und ihnen meinen Namen sowie meine Mission verraten. Den Kindern eines geschätzten Freundes aber tue ich gern einen Gefallen. Noch dazu, wenn es sich um einen so verlässlichen Mann wie den guten Gernot Fischart handelt. Das Gleiche würde er im umgekehrten Fall ebenso tun. Davon abgesehen: Auch Ihr habt einiges von ihm, liebes Fräulein. Mir ist allerdings völlig neu zu erfahren, dass er eine Tochter hat. Bislang hörte ich ihn immer nur von einem Sohn reden. Wie konnte er mir eine so hübsche und kluge Tochter, wie Ihr es seid, verschweigen? Bei nächster Gelegenheit werde ich ihm das vorhalten. Auf eine Tochter wie Euch sollte er überaus stolz sein.«
    Er lächelte breit. Dann sah er zu Caspar, der verlegen den Blick abwandte. »Nichts für ungut, mein Lieber. Von Euch spricht er ohnehin nur in den höchsten Tönen, und das, wie es scheint, völlig zu Recht.«
    Gutmütig tätschelte er Caspar die Schulter. Laut räusperte sich Petrus Waller, auch Nikolaus Roseman schob sich dichter an Telpin heran und raunte ihm etwas ins Ohr. Daraufhin wurde dessen Gesicht wieder ernst. Die buschigen weißen Augenbrauen zogen sich unwirsch zusammen. »Verzeiht, aber meine Gefährten drängen mich«, erklärte er Agnes mit einem bedauernden Lächeln. »Wir müssen gleich wieder zurück in den Remter. Heinrich Reuß von Plauen wartet dort auf uns. Also los, gehen wir rasch weiter.«
    Er hielt auf eine Hütte zu, die sich am Ende des nächsten Querwalls befand. Kaum war sie im aufgeschütteten Mauer- und Balkenwerk zu erkennen.
    »Da vorn ist die Bauhütte.« Mit ausgestreckter Hand wies er auf das niedrige Gebäude. Gerade hob er an, Näheres zu erläutern, da wurde Agnes eines Mannes gewahr, der hinter dem Gerüst bei der Kapelle hervorkam. Ihr Herz machte einen Sprung: Das war er! Auf unzählige Schritt Entfernung würde sie die geliebte Gestalt erkennen, zu oft hatte sie sie sich in den letzten Wochen sehnsüchtig in Erinnerung gerufen. Vergessen waren Agathas Worte über Laurenz’ Versprechen seinem Meister und dessen Tochter gegenüber. Alles, was in diesem Moment zählte, war, ihn endlich wieder heil und gesund vor sich zu sehen.
    »Laurenz!«
    Sie stürzte einfach los. Weder achtete sie darauf, was Telpin sagte, noch, ob es schicklich war, in aller Öffentlichkeit so ungestüm auf den Geliebten zuzurennen. Caspar reagierte unerwartet schnell. In kaum drei Schritten stand er bei ihr und hielt sie zurück. »Um Gottes willen, Agnes, nimm Vernunft an! Wir sind nicht allein.«
    »Lass mich«, zischte sie. Er aber gab sie nicht frei.
    Im selben Moment wurde Laurenz auf sie aufmerksam. Verwundert blieb er stehen, blickte zwischen ihr und Caspar hin und her. Deutlich las sie an seinem geliebten Antlitz ab, was er Ungeheuerliches von ihnen beiden dachte. Verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten, ihm das zu erklären.
    Die böhmischen Kaufleute schlossen zu ihnen auf und postierten sich im Halbkreis um sie

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