Gold und Stein
drängt, eines davon heimlich fortzuschaffen. Noch dazu, wenn der Gemahl die Zwillinge so gern annimmt wie Euer Eidam. Die Vorstellung, die Mutter müsse die Kinder mit zwei Männern kurz hintereinander gezeugt haben, ist einfach nur töricht. In meiner früheren Heimatstadt Heiligenbeil, wo ich als junge Wehmutter erste Erfahrungen gesammelt habe, wollte man mir aus meiner Haltung einen Strick drehen. Deshalb habe ich mich vor mehr als zwanzig Jahren schon zu den Beginen in den Kneiphof geflüchtet. In einer so reichen Stadt wie dieser hängt zum Glück niemand mehr ernsthaft dieser merkwürdigen Vorstellung über Zwillingskinder an. Eine der letzten Hebammen, die sie noch verfochten hat, war Hermine Hundskötter vom Steindamm. Vielleicht erinnert Ihr Euch an sie? Zum Glück hat sie die Stadt vor einigen Jahren verlassen. Von Eurer Freundin, der Fischartin, weiß ich, dass in ihrer Londoner Heimat etwas so Ungeheuerliches niemals geglaubt wurde. Je besser der Handel Königsbergs mit England gedeiht, desto eher wird sich wohl auch im Ordensland diese Überzeugung verbreiten. Die Kaufleute werden dafür sorgen, sie selbst in die entlegensten Winkel zu tragen.«
»Euer Wort in Gottes Ohr!«, merkte Agnes an, nachdem sie sich von Laurenz gelöst hatte. Trotz des Kusses war ihr kein Wort der Gutloff entgangen.
»Ich denke, hier im Ordensland brechen jetzt so oder so andere Zeiten an«, pflichtete Laurenz bei. »Nicht allein solch seltsamer Aberglaube wird ein Ende finden. Meine Mutter, die Hebamme Gerda Selege, hat ihm ebenfalls lange angehangen. Ein sehr trauriges Erlebnis mit einer Zwillingsgeburt hat sie dann aber eines Besseren belehrt. Noch auf ihrem Sterbebett hat sie sich deswegen die ärgsten Vorwürfe gemacht.« Ein Anflug von Trauer huschte über sein Antlitz. Agnes drückte ihm die Hand. Dankbar lächelte er.
»Vielleicht habt Ihr schon gehört, was der vor wenigen Tagen in Thorn beschlossene Friede zwischen dem Preußischen Bund und den Deutschordensherren noch so alles für uns bereithält«, wechselte er das Thema. »Die Zeiten der Ordensherrschaft sind ab sofort vorbei.«
»Gut zu hören!« Agnes strahlte ihn an. »Dann hat wohl auch das ständige Streiten im Land ein Ende.«
»Erzähl uns mehr davon«, bat Gunda. »Der Freude über die Ankunft der Kinder wegen haben wir alle hier schmählich versäumt, dich nach der monatelangen Abwesenheit angemessen willkommen zu heißen. Du wirst in Marienwerder erfahren haben, worauf sich die Kreuzherren mit dem polnischen König geeinigt haben. Wenn ich daran denke, wie viele Städte in den letzten dreizehn Jahren des sinnlosen Streites wegen belagert und bekämpft wurden, wie viele Menschen dabei ihr Leben lassen mussten, wird mir noch heute bang.«
»Dabei hat es nur in Konitz gleich im ersten Jahr des Krieges eine richtige Schlacht gegeben«, warf Agnes ein und fügte auf Laurenz’ erstaunten Blick hin hinzu: »Erinnerst du dich nicht an den Stellmacher Strack, der uns damals in Pronitten davon erzählt hat? Alles hat er verloren: Familie, Freunde, Heimat und Besitz.«
»Oh, der gute Strack! Wie sollte ich ihn vergessen? Auf der Marienburg war er Jagusch und mir später eine große Hilfe«, bestätigte Laurenz nach einigem Nachdenken. »Als aufrechter Anhänger des Preußischen Bundes wird es ihn freuen, dass in Thorn nun endlich bestätigt wurde, wofür der Bund von Beginn an eingetreten ist: Das Ermland, Pommerellen, das Kulmer Land sowie die Gegend um Marienburg und noch einige weitere Städte werden ebenso wie die lange schon vom Orden abtrünnigen Städte Danzig, Elbing und Thorn dem polnischen König direkt unterstehen. Auch die Marienburg ist für den Orden für immer verloren. Das ist wohl die gerechte Strafe, dass sie sie einst an die böhmischen Söldner verpfändet haben. Der Rest des Ordenslandes verbleibt zwar bei den Kreuzherren, doch der Hochmeister muss dem polnischen König Heeresfolge und den Treueeid leisten. Sitz des Hochmeisters bleibt natürlich die Festung hier in Königsberg. Allerdings verliert der Deutsche Orden letztlich seine Eigenständigkeit, während der polnische König eine Art Lehnsherr für ihn wird. Damit wird festgeschrieben, was sich seit dem Sieg von Tannenberg vor mehr als zwei Lebensaltern schon angekündigt hat.«
»Das scheint dir zu gefallen«, stellte Agnes fest, während die Kinder wie die beiden anderen Frauen ihn voller Ehrfurcht ansahen.
»Es war an der Zeit«, erwiderte er und grinste. »Dabei habe ich
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